KALTFRONT Interview (12.11.2017)

KALTFRONT – „wenn es dunkel wird“ klingen sie am besten

Schon vor ein paar Wochen erschien mit „wenn es dunkel wird“ die neue Scheibe von KALTFRONT. Im Vergleich zum Vorgänger klingt das Album etwas düsterer, sprüht aber dennoch vor Energie und Spielfreude. KALTFRONT anno 2017 klingen eingespielter und „ausgereifter“ bzw. so, wie sie laut eigener Aussage, klingen wollen. Da seit dem letzten Interview schon einige Jahre vergangen sind und das neue Werk so manch spannendes Thema zu bieten hat, war es mal wieder an der Zeit, mich auf den aktuellsten Stand zu bringen. Rede und Antwort stand mir Jörg. Also viel Freude beim Lesen!

„wenn es dunkel wird“ ist nach über 5 Jahren wieder ein Lebenszeichen von euch. Warum habt ihr eure Fans so lange warten lassen?
Ich glaube nicht, dass es in dieser Zeit zu wenig Lebenszeichen von uns gab. Wir haben für unsere Verhältnisse relativ oft live gespielt (auch im sozialistischen Bruderland und im Westen). 2015 erschien bei Rundling die LP „Holiday im Niemandsland“ mit restaurierten alten Songs aus den 80er Jahren, zum ersten Mal auf Vinyl. Mit den Aufnahmen für die neue Platte haben wir vor zwei Jahren begonnen. Insgesamt haben wir nur zwei Aufnahmesessions benötigt, eine im Herbst 2015 und eine im Herbst 2016. Overdubs aufnehmen, Mischen und Mastern wurde bis Ende Januar 2017 erledigt. Das ging doch eigentlich ganz flott. Die Herstellung der LPs hat dann aber bis Juni 2017 gedauert.

Obwohl ihr noch nie eine „Fun-Punk“ Band wart, klingt der Name der Platte auch für euch recht traurig und hoffnungslos. Erwarten uns jetzt depressive Songs von einer düster dreinblickenden Band?
Es wird am Ende jeden Tages dunkel, ohne dass dann gleich die Welt untergeht. Die Frage ist, was in den Titel hinein interpretiert wird. Es geht uns nicht darum, auf Krampf depressive Musik zu machen. Aber wie du schon sagst, sind wir auch nicht unbedingt die lustigste Band der Welt. Für positive Themen fehlt uns vielleicht der Optimismus. Ob du es jetzt glaubst oder nicht, wir haben durchaus Humor. Aber der ist ziemlich schwarz. Die meisten, die KALTFRONT kennen, wissen was sie erwartet und können das, was wir machen, gut einordnen.

Insgesamt vier neue Stücke haben es auf das Album geschafft. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, dass ihr ausgebrannt seid. Was würdest du diesen Leuten entgegensetzen?
Wieso „böse Zungen“? Manchmal sind wir wirklich ausgebrannt, lustlos und übersättigt. Es ist ja nicht so, dass diese Band unser einziger Lebensinhalt ist. Der Alltag ist stressig, so dass oft nicht viel Zeit und Muße für Musik übrig bleibt. Wir als Band haben aber auch nicht die Intention, aller zwei Jahre eine Platte mit neuen Songs raus zu bringen. Zum Glück stecken wir nicht in so einer Mühle. Wir sind eher eine Hobbyband, der es durchaus Spaß macht, mit dem eigenen „Altmaterial“ herum zu experimentieren. Ob das den Leuten gefällt, ist uns wurscht. Wir machen das in erster Linie für uns selbst.

Neben den neuen Liedern gibt es noch neun bekannte KALTFRONT Songs. Warum habt ihr die Stücke noch einmal neu aufgenommen und ein ganzes Album gemacht? Man hätte aus den vier neuen Tracks ja durchaus auch eine Single machen können. 
Hätte man können. Aber wir wollten ein Album machen, mit neuen Liedern und alten, die wir endlich unter ordentlichen Bedingungen aufnehmen konnten. Letztlich war dann kein Platz mehr übrig für weitere neue Lieder, denn auf Vinyl passen nur ca. 20 Minuten pro Seite. Priorität hatten für uns die neuen Versionen alter Songs. Wir finden, dass einige viel mehr Potential haben, als auf den alten Proberaumaufnahmen rüber kommt. Das musste erstmal abgearbeitet werden. Für neue Songs gibt es perspektivisch noch genug Gelegenheit. Wer sich „wenn es dunkel wird“ anhört, wird merken, dass wir die alten Songs textlich und musikalisch überarbeitet und teilweise auch harmonisch verändert haben, wie zum Beispiel „Horror Video“. „N.O.T.“ hat endlich eine zweite Strophe, „Koerper“ hat einen neuen Refrain. Wichtig waren auch die Einflüsse, die die neuen Bandmitglieder eingebracht haben. Jetzt klingen die Songs so, wie sie immer klingen sollten. Ich finde, es hat sich gelohnt. Alles passt zusammen. Hör dir die Platte einfach mal an, ohne zu grübeln, was ein alter oder was ein neuer Song sein könnte.

Wer sind denn die oben erwähnten neuen Bandmitglieder?
Willi Löffler spielt seit 2012 Gitarre. Am Schlagzeug gab es mehrere Veränderungen. Olli Kunze war seit 2015 dabei und hat das Album eingespielt. Aber seit Ende 2016 trommelt Steffen Thiede. Das Erstaunliche für mich war, dass sie alle eine klare Vorstellung hatten, was den typischen KALTFRONT-Spirit ausmacht. Sie haben sich an den Wurzeln orientiert, aber dazu auch gehörig frischen Wind reingebracht. Wahrscheinlich hat uns das davor bewahrt, als pomadige Altherren-Ostpunk-Revivalband zu enden.

In „Alles über dich“ beschreibt ihr sehr gut die Datensammelwut der großen Konzerne wie Google und wie gläsern wir heutzutage alle sind. Kann man sich dagegen eigentlich noch wehren oder muss man es einfach hinnehmen? 
Vieles wäre sicherer, wenn wir „analoger“ leben würden. Aber die digitale Welt ist verlockend. Sie erweckt den Eindruck, dass alles einfacher wird. Aber das ist nur oberflächlich so. Es gibt zu viele „undichte Stellen“ in dem System, bzw. Fallen, in die man leicht hineintappen kann. Bei all dem ist jede/r selbst dafür verantwortlich, was er/sie von sich Preis gibt. Man sollte sich darüber klar sein, dass nicht nur Elefanten nichts vergessen, sondern auch das Internet! Aber ich freue mich immer, wenn ich daran erinnert werde, wo ich neues Viagra bestellen kann. Danke Internet!

Hat man es wirklich selbst in der Hand, wie viel man von sich preisgibt?
Ich finde, man muss nicht unbedingt auf jeden Zug aufspringen. Aber wahrscheinlich bin ich da nicht der richtige Ansprechpartner. Ich stamme ja aus dem Pre-Computer-Zeitalter und habe den ganzen Quatsch bis heute nicht richtig verstanden. Privat nutze ich keine sozialen Netzwerke. Nicht nur wegen der Sicherheitsbedenken, sondern vor allem, weil es mich nicht interessiert. Mein Bedürfnis auf diese Art zu kommunizieren, hält sich arg in Grenzen.

Seid ihr eigentlich auf Facebook, Twitter und Co. unterwegs? Da erfährt man so einiges über Leute, auch viele Sachen, die man eigentlich gar nicht wissen will. Was haltet ihr davon, wenn Menschen alle Welt an jeder Kleinigkeit teilhaben lassen?
Als Band sind wir notgedrungen auf Facebook. Das ist schon ganz gut, um Neuigkeiten, z. B. Konzerttermine, zu verkünden. Darum kümmern sich die Jüngeren in der Band. Ich selber habe gar keinen Zugang zu unserem Facebook-Profil. Wie andere Menschen damit umgehen, ist deren Sache. Ich kriege zum Glück gar nicht so viel mit, woran Manche die Welt teilhaben lassen, weil ich diese Plattformen nicht frequentiere. Allgemein wäre es vielleicht ganz gut, wenn „Internetverhalten“ als Pflichtfach in der Schule unterrichtet werden würde.

Zum Abschluss noch obligatorisch die Frage: Was liegt demnächst bei euch an und was wollt ihr den Lesern noch sagen?
Demnächst liegen erstmal ein paar Konzerte an. Im Verlauf des Jahres werden auch neue Songs zu hören sein. Ich könnte mir vorstellen, dass wir nächstes Jahr wieder ins Studio gehen. Wann genügend Material für eine neue Platte da sein wird, weiß ich noch nicht. Ich würde aber mal davon ausgehen, dass es nicht wieder fünf Jahre dauern wird. Was wir den Lesern sagen wollen: fahrt vorsichtig, baut keine Scheiße und ernährt euch gesund!

Vielen lieben Dank für das Interview und ich freue mich auf das nächste Konzert!
East Side Daniel