„Die Geldbörse sollte nicht den Kopf oder das menschliche Mitgefühl dominieren.“ Das bringt es wohl am besten auf den Punkt und zeigt, dass die SKEPTIKER immer noch ihr Herz am rechten Fleck haben. Politik und Gesellschaftskritik sind nach wie vor zentrale Themen der Band. Sie stehen immer noch für linke Ideen, die ich bei so manch anderer Combo, die sich links schimpft, leider viel zu oft vermisse. Die SKEPTIKER jedenfalls sind einfach ein Phänomen! Seit weit über 20 Jahren sind sie nun schon unterwegs und haben es immer wieder geschafft, mich zu überraschen und zu begeistern. Der Erstling „Harte Zeiten“ ist ohne Zweifel einer DER Klassiker des deutschsprachigen Punkrocks und über jeder Kritik erhaben. Danach folgten „Sauerei“, „Schwarze Boten“ und „Stahlvogelkrieger“, die zwar einige Evergreens zu bieten haben, bei denen ich die Band aber kurz aus den Augen verlor. Spätestens mit „Wehr dich“ hatten sich mich dann aber wieder ganz in ihren Bann gezogen. Auch wenn gerade dieses Album einige Zeit brauchte, um damit warm zu werden, so zeigte sich doch nach und nach die Klasse von Tracks wie „Der Schrei“, „Verteilungskampf“ oder „Titania“. Mit ihrem Reunionalbum „Fressen und Moral“ schlugen sie dann einen Weg ein, den sie mit „Aufsteh’n“ konsequent fortsetzen. Punkrock der alten Schule, etwas ausgefeilt, aber nie zu verspielt, kämpferisch und mit der SKEPTIKER typischen Themenvielfalt. DAS Markenzeichen der Band ist natürlich die Stimme ihres Sängers Eugen, die so einzigartig in der großen weiten Musikwelt ist. Umso mehr freute ich mich, dass ich ihm einige Fragen rüberschicken konnte und er bereitwillig Antwort gab. Viel Spaß beim Lesen und wenn die Berliner sich demnächst wieder auf den Weg machen und in eurer Nähe spielen, geht unbedingt hin, es lohnt – versprochen!
„Aufsteh’n“ heißt eure neue Platte und seit der letzten („Fressen und Moral“) sind nun auch schon wieder vier Jahre ins Land gezogen. Warum hat es so lange gedauert? Auf was dürfen sich die Fans einstellen? Gibt es jetzt Altherrenrock oder bleibt ihr dem Punkrock treu?
Da wir keine Verpflichtungen gegenüber irgendwelchen Plattenfirmen oder anderen Industrievertretern haben, sind wir in der entspannten Lage, einen neuen Tonträger erst zu produzieren, wenn wir der Meinung sind, wieder etwas Neues machen zu wollen. Das hat diesmal eben 4 Jahre gedauert. Ich denke, dass es besser ist auf einen guten kreativen Output zu warten, als etwas auf Krampf zusammen zu basteln, was einen später vielleicht nicht mal selbst überzeugt. Ich denke, wir haben wieder einen Skeptiker Soundtrack abgeliefert, der auch einige thematische Anregungen bietet, die beweisen, dass wir immer noch etwas zu sagen und zu spielen haben. Als Altherrenrock würde ich das Ganze nicht bezeichnen, die neue Scheibe passt gut zu unserem gesamten bisherigen Schaffen und fügt sich quasi nahtlos ein, ohne nur Bekanntes oder Wiederholungen zu bieten.
Einer meiner Favoriten auf der neuen Scheibe ist definitiv „Das System“, eine großartige Momentaufnahme des aktuellen Gesellschaftssystems. Was denkst du, wie lange wird es noch dauern, bis der Kapitalismus untergeht? Wird er untergehen?
Ich beginne mal mit dem zweiten Teil. Das er untergehen wird ist überhaupt keine Frage, denn selbst wenn Gesellschaftssysteme über Jahrhunderte existierten, gab es immer Umbrüche, die etwas Anderes, Neues erzeugten, sei es durch technische Innovationen oder durch gewalttätiges Aufbegehren hervorgerufen. Auch die Pharaonenreiche Ägyptens versanken beispielsweise nach einigen Jahrtausenden von der Bildfläche. Also alles wandelt sich, in kurzen bis sehr langen Zeiträumen, aber Fakt ist, einen gesellschaftlichen Totalstillstand gibt es nicht. Wann der Kapitalismus von der Bildfläche verschwunden sein wird, ist von mir nicht zu beziffern, das erfordert schon prophetische Gaben. Das wir uns allerdings in einer Umbruchsphase befinden, wird seit der Bankenkrise wohl niemand ernsthaft bezweifeln wollen.
Passend dazu beschreibt ihr in „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ eine sehr schöne, aber momentan wohl utopische Gesellschaft. Dieser „Schlachtruf“ ist ja nun auch schon über 200 Jahre alt und wir haben es bis jetzt nicht umsetzen können. Wie könnte die Menschheit diese deiner Meinung nach erreichen?
Ich weiß nicht, ob diese Utopie überhaupt erreichbar ist, es geht aber auch nicht unbedingt um die totale Gleichmacherei, sondern meiner Meinung nach, um Gerechtigkeit bei der Teilhabe am gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum. So etwas wie Milliardäre gehört einfach abgeschafft, oder gedeckelt. Innerhalb der kapitalistischen Ordnung ist das Motto jedenfalls nicht umsetzbar, da muss was Neues her.
„Meer aus Grün“ erzählt eine sehr beklemmende Geschichte. Wie bist du darauf gekommen? Basiert der Text auf eigenen Erfahrungen?
Das will ich eigentlich in der Schwebe lassen, ob es sich um Selbsterlebtes oder Phantasie handelt. Fakt ist aber, dass Vergleichbares ja durchaus über die Nachrichtenkanäle flimmert, wie Polizeibeamte in Kampfmontur kleine Mädchen oder junge Frauen an den Haaren über das Pflaster schleifen – sehr mutig.
Was mich an den SKEPTIKERN schon immer fasziniert hat, waren die Texte, die auch mal über szenetypische Themen hinausgehen – sei es „Titania“ oder „Pierre und Luce“. Auf der neuen Platte steht für mich „Afrika“ in dieser Tradition. Woher nimmst du die Ideen für diese Songs?
Das ist genau das, was die Skeptiker von anderen unterscheidet. Wir sind textlich nicht nur auf motzen limitiert, was ja im Prinzip jeder kann, sondern bieten auch Themen aus der Kunst oder Kulturgeschichte. Das ist sozusagen gewollt und mich freut es immer, wenn die Fans die Titel mit solchen Themen mögen. So haben wir ja beispielsweise auf unserer vorletzten Studioproduktion „Fressen und Moral“ die Schlacht im Teutoburger Wald aus dem Jahre 9 unserer Zeitrechnung thematisiert, genau 2000 Jahre nachdem sie stattgefunden hat. Wie man auf solche Themen kommt, ist ganz einfach zu beantworten, da sie sozusagen auf der Hand liegen, wenn man sich für Kunst, Kultur, Geschichte und Ähnliches interessiert. Bei unserem Titel „Afrika“ dachte ich, zu diesem Thema bisher nichts aus der Rockmusik vernommen zu haben und dass es durchaus mal der Bearbeitung bedürfe.
Die Kunst spiegelt sich ebenfalls in euren Covern wieder, die ja auch kleine Kunstwerke sind. Hast du vielleicht bei diesem Thema irgendwelche Tipps für einen „Kunstbanausen“ wie mich? Wie kamt ihr auf die Idee für das neue Cover?
Das hat sich komplett zufällig ergeben. Rudi (unser einer Gitarrist) hat einen Maler (Christian Feldhoosen) als Nachbarn und weil ihm dessen Arbeiten gefielen, sprach er ihn an, uns vielleicht ein Cover zu gestalten. Herr Feldhoosen fand diese Idee auch für sich spannend, da er bis dato noch keine Arbeit für Musiker entworfen hatte. Als Rudi uns den Entwurf zeigte, waren alle spontan begeistert und einstimmig der Meinung (ein ganz seltener Vorfall), das ist es. Die Idee des Covers hat sich Christian Feldhoosen aus dem Titel des neuen Albums „Aufsteh‘n“ entwickelt. Allgemeine Kunsttipps will ich an dieser Stelle nicht verbreiten, da die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind und Kunst ein weites Feld ist.
Mit Tom Schwoll und Lars Rudel hast du seit einigen Jahren jetzt zwei feste Bandmitglieder an den Gitarren. Nur die Positionen am Bass und Schlagzeug haben beim neuen Album wieder gewechselt. Warum?
Beim Schlagzeug war es so, dass Nicolai Gogow, nach langjähriger Bandmitgliedschaft, den dringenden Wunsch nach musikalischer Umorientierung verspürte und dann zu den Mannen von Knorkator wechselte. Somit waren wir wieder auf der Suche und haben Wieland Wehr für uns begeistern können. Beim Bass ist es so gewesen, dass Mathias Kahle, der eine eigene Firma für Industrieklettern betreibt, die zeitlichen Erfordernisse zwischen Musik und Firmenbetrieb nicht mehr koordiniert bekam und sich somit für einen Ausstieg entschied. Ihn ersetzt seitdem Christopher Zabel am Bass. Zu beiden ehemaligen Bandmitgliedern gibt es aber nach wie vor freundschaftliche Kontakte.
Wie sieht es denn mit dem Kontakt zum ersten SKEPTIKER Line-Up aus?
Kontakte gibt es da eher nur noch zufällig, da ich kein Typ bin, der sich Leuten aufdrängt, wenn sie einmal aus meinem Dunstkreis verschwunden sind. Der Einzige mit dem ich hin und wieder mal maile, ist Andreas Kupsch, einer der beiden Gitarristen der Erstbesetzung, welcher nach wie vor den Werdegang der Skeptiker interessiert verfolgt.
Neben DRITTE WAHL seid ihr eine der wenigen Ost-Punkbands, die nach der Wende in ganz Deutschland wirklich Fuß gefasst hat und erfolgreich ist. Woran liegt das deiner Meinung nach? Warum sind so viele ehemalige DDR-Punkbands einfach in der Versenkung verschwunden?
Heutzutage ist es schon sehr kompliziert, sein Leben in den Griff zu bekommen. Der sogenannte „Brotkorb“ ist doch recht hochgehängt. Man muss sich meistens entscheiden, zwischen einem entbehrungsreicheren Musikerleben oder einer sogenannten geordneten bürgerlichen Existenz. Beides unter einen Hut zu kriegen bedeutet großen Kraft- und Zeitaufwand. Im Gegensatz dazu benötigte man in der damaligen DDR nicht viel Geld zum Leben. Mieten und Lebensmittel waren billig und so war es eher möglich, auch mit wenig Geld seinen Hauptinteressen nachzugehen.
Wo wir schon bei der DDR sind, in einem Interview mit dem „access2music“ Magazin hast du erst vor kurzem gesagt, dass du deine Stasiakte noch nicht angefordert hast. Warum eigentlich nicht? Hast du Angst, dass es ein schlechtes Licht auf Leute wirft, die du vielleicht immer noch kennst? Wie gehst du eigentlich mit Leuten in deinem Umfeld um, die sich früher oder später zu ihren Stasiaktivitäten bekannt haben?
Von verzeihen bis ignorieren der Betroffenen ist im Prinzip alles dabei. Von einer Person, die mir früher immer mit sehr provokanten Sprüchen auf die Nerven gegangen ist, habe ich eine persönliche Entschuldigung akzeptiert. Es ist auf jeden Fall immer noch ein sehr emotional besetztes Thema, auch 24 Jahre nach dem Fall der Mauer und bevor die Behörde geschlossen wird, hole ich meine Akte sicherlich noch zur Einsicht.
Wenn man so die ganzen Geschichten um die NSA etc. verfolgt, bekommt man das Gefühl, dass sich eigentlich nichts geändert hat, außer vielleicht den Methoden. Im Gegenteil finde ich, dass es heute schlimmer ist als früher. Wie schätzt du das Ganze ein? Habt ihr das Gefühl, dass ihr als systemkritische Punkband immer noch im Interesse von solchen „Vereinen“ seid?
Eine Musikgruppe ist glaube ich nichts wovor eine Regierung sich fürchtet. Außerdem gehört es ja zum sogenannten Freiheitsbegriff, Andersdenkende sich in gewissem Rahmen frei artikulieren zu lassen. Die zunehmende Überwachung geht mir aber auch auf die Nerven, ich nenne es für mich die Verostung des Westens. Hätte die Stasi die heutigen Überwachungstechniken gehabt, würde sie frohlockend hinter den Rechnern sitzen, aber mehr Spitzelei als bei der NSA geht ja wohl sowieso nicht.
Im Moment lässt sich auch das leidige Thema Bundestagswahlen nicht umgehen. Magst du mal das Ergebnis kommentieren?
Ein so fulminantes Ergebnis für die CDU habe ich dann doch nicht erwartet. Um das zu verhindern, war ich wählen, hat aber wohl nichts genützt. Die CDU ist mir persönlich zu einseitig auf das Wohl der Unternehmer fixiert, soziale Gerechtigkeit sieht anders aus.
Im Osten ist DIE LINKE, trotz Verlusten bei der letzten Wahl, relativ stark und auch im Westen ist sie auf dem Vormarsch. Ist DIE LINKE eine Alternative? Was hältst du als DDR-Kind von dieser Partei?
Dazu habe ich ein durchaus gespaltenes Verhältnis, einerseits finde ich die politische Ausrichtung in Ordnung, andererseits ist diese Partei aber auch mit Leuten belastet, die diese gute politische Idee, einer gerechteren Gesellschaft schon einmal pervertiert haben.
Ein weiteres Thema, was momentan wieder in allen Medien „diskutiert“ wird, sind Flüchtlinge bzw. Europa und wie es damit umgeht. Auf eurem 98er Album habt ihr euch bereits mit „Europa“ auseinandergesetzt. Wie siehst du das Thema 15 Jahre danach bzw. wie stehst du zu Europa?
Eigentlich war ich ein sogenannter Euroskeptiker, da ich in dieser Organisationsform nur Vorteile für die Industrie und die Banker sah. Mittlerweile muss ich aber eingestehen, dass es durchaus angenehm ist, weitgehend ohne Kontrollen und Währungsumtausch durch Europa reisen zu können. Die sogenannte Festung Europa ist hingegen weiter ausgebaut worden, was es Nichteuropäern immer schwieriger macht, zu uns zu gelangen. Eines sollte man indessen nie vergessen, wäre die Einwanderungspolitik der Welt in den 30er Jahren genauso hart gewesen, wie heute in Deutschland praktiziert, hätte es vermutlich noch weit mehr Opfer der Nazidiktatur gegeben. Mehr Menschlichkeit gegenüber den Opfern unerträglicher Verhältnisse und Situationen, wie beispielsweise immer noch aktuell in Syrien, ist also durchaus angebracht. Die Geldbörse sollte nicht den Kopf oder das menschliche Mitgefühl dominieren.
In einem Interview haben die Jungs von DRITTE WAHL mal gesagt, dass sie im Moment von ihrer Musik leben können. Im Endeffekt heißt das aber auch, endloses Touren und fast jedes Wochenende auf Achse. Wie sieht es da bei den SKEPTIKERN aus? Könnt ihr davon leben? Womit vertreibt ihr euch sonst die Zeit bzw. verdient eure Brötchen?
Nein, wir können nicht von unseren Bandaktivitäten leben. Rudi (Gitarre) beispielsweise spielt noch in anderen Musikgruppen und betreibt ein kleines Studio. Tom (Gitarre) spielt auch noch bei weiteren musikalischen Projekten und betreibt mit Smail das Tonstudio „Schaltraum“ in Berlin, wo wir unsere neue Scheibe auch aufgenommen haben. Wieland (Schlagzeug) ist zusätzlich zur Musik Messebauer. Christopher (Bass) gibt Musikstunden und jobbt nebenher. Eugen (Gesang) hat mittlerweile eine Festanstellung im Veranstaltungsbereich und jobbt noch auf Messen. Die Zeit für Musik wird also immer knapper.
Jetzt aber noch einmal zurück zu den SKEPTIKERN. Speziell im Vergleich zur „Wehr dich“ hat sich euer Sound nach der Reunion doch sehr verändert. Wie kam es dazu? Welche Einflüsse spielten da eine Rolle?
Tom meinte zu diesem Thema, dass wir zur Zeit der „Wehr dich “, noch nicht so lange zusammen waren und sozusagen den gemeinsamen Sound damals suchten. Mittlerweile sind wir weiter musikalisch zusammengewachsen und haben aus einer entspannten Atmosphäre, ohne Druck die neuen Stücke einfach fliessen lassen.
Zur neuen Scheibe steht natürlich auch wieder eine Tour an. Freut ihr euch besonders auf die „Heimspiele“ oder fühlt ihr euch auch anderswo daheim?
Wir spielen überall gerne, aber Berlin und der sächsische Raum sind schon etwas ganz Besonderes für uns, wegen der unvergleichlich guten Stimmung, die noch einmal besser ist, als an anderen Orten.
Jetzt kannst du noch ein bisschen Schützenhilfe leisten, denn gerade in Berlin gibt es ja viele neue interessante Künstler und Bands, nicht nur im Punkbereich. Kannst du ein paar empfehlen?
Oh, da bin ich glaube ich der falsche Ansprechpartner, denn arbeitsbedingt gehe ich eigentlich nicht mehr zu Konzerten von mir nicht bekannten Bands.
Noch ein paar abschließende Worte?
„5 Finger kann man brechen, aber keine ganze Faust.“
Besten Dank
East Side Daniel