From the streets of San Franciso
Die Utters sind zurück!
In diesem Jahr feiern die Swingin‘ Utters aus San Francisco ihr 24-jähriges Bestehen. Tja, wie die Zeit doch vergeht. Die Utters gehören seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingsbands. Für mich zählen die Kalifornier zu den besten Punkrock-Bands aus Amiland. Meine erste Begegnung mit den Utters hatte ich in den neunziger Jahren, als die Band den Support von Rancid auf der „…and out come the wolves-Tour“ in der Hamburger Markthalle übernahmen. Ich hatte vor diesem Gig noch nie was von der Band gehört und war total begeistert. Wow, das war ja genau mein Sound, das war feinster 77er-Punkrock britischer Prägung und Sänger Johnny Bonnel hatte die perfekte rotzige Stimme dazu und tobte wie ein Derrwisch über die Bühne. Kurz darauf entdeckte ich in Hannover in einem Plattenladen die CD „More scared“ der Swingin‘ Utters . Ich überlegte nicht lange und schlug zu. Ich sollte es nicht bereuen. Das war Punkrock der alten Schule wie ich ihn liebe mit massig geilen Melodien und Johnnys unverwechselbarem Gesang. Die CD enthält frühe Aufnahmen der Band noch vor Ihrem Debüt „The streets of San Francisco“ und zeigt bereits das enorme Potenzial der Band. Zu hören gibt es massig Hits und u.a. auch die Ur-Version des Utters-Klassikers „No eager man“ und eine gelungene Coverversion von „Here we are nowhere“ der guten, alten Stiff little fingers. Das Debütalbum „The streets of San Francisco“ wurde übrigens von keinem geringeren als von Lars Frederiksen von Rancid produziert. Es ist vollgepackt mit Hits und Ohrwürmern und schlug in der Szene ein wie eine Bombe. Bei den Bay Area Music Awards gewann die Band damit den Preis für das beste Debütalbum. Mit ihrer zweiten Platte „The juvenile Product of a working class“ landete die Band dann auf Fat Mikes Label Fat Wreck Chords, dem sie bis heute treu geblieben sind. Endlich hatte Fat Mike eine richtig gute Punkband gesignt und nicht wieder irgendwelche Melodiccore-Langweiler, dachte ich mir damals. Es folgten in den kommenden Jahren richtig gute Alben der Band, hervorzuheben wäre hier speziell das geniale Album „Five lessons learned“. Die Band entwickelte sich auch musikalisch weiter und der Sound klang irgendwann nicht mehr so sehr nach England 1977, aber immer typisch nach Swingin‘ Utters. Mittlerweile fanden plötzlich auch Folkelemente Platz im Sound der Band. Ich würde den Sound der Utters mal als melodischen Streetpunk bezeichnen. 2002 stieg der zweite Gitarrist Max Huber aus. Die Band machte zunächst nur mit dem Gitarren-Sound von Gitarrist Darius Koski weiter (aktuell ist jetzt mit Jack Dalrymple (One Man Army) ein zweiter Gitarrist an Bord). Ein Jahr später 2003 erschien das Album „Dead flowers, bottles, bluegrass and bones“. In den folgenden Jahren wurde es ruhig um die Band und brandneues Material war erstmal Fehlanzeige. Es erschienen noch das klasse Live-Album „Live in da dive“ und 2008 „Hatest Grits: B-Sides and bullshit“. Neben eigenen, raren Songs, enthält letztere CD auch viele richtig gelungene Coversongs. Hört Euch beispielsweise mal die coole Version des Cock Sparrer-Klassikers „Sunday stripper“ an, ich sag nur Hammer! Das Cover finde ich noch besser als das Original.
Die Band machte sich rar auf den Bühnen hierzulande und von Touren der Utters war lange, lange Zeit nichts zu hören. Ich dachte zeitweise schon, ob es die Band überhaupt noch gibt. Unter dem Titel „Untitled 21: A juvenile tribute to Swingin‘ Utters“ erschien 2010 ein Tribute-Album. Viele bekannte Bands zollen Johnny Bonnel & Co. auf dem Album Tribute wie unter anderem die Dropkick Murphys, Street Dogs, Johnny Two Bags (Gitarrist von Social Distortion), Off with their heads, die Teen Idols, Fucked up und The Forgotten. Insgesamt 31 Bands befinden sich auf der Platte. Das zeigt was für einen großen Einfluss die Utters auf viele Bands ausüben. Im gleichen Jahr kam die Band völlig überraschend endlich mal wieder nach gefühlten zehn Jahren auf Tour nach good old Germany. Ich schnackte nach dem Gig ein bisschen mit Sänger Johnny, der mir erzählte, dass sich privat auch viel getan hat in den letzten Jahren und die Band daher auch lange nicht mehr auf Tour war. Sänger Johnny war mittlerweile Vater von zwei Töchtern und auch andere Bandmitglieder hatten Nachwuchs bekommen. 2011 erblickte das erste neue Studioalbum der Swingin Utters mit dem Titel „Here, under protest“ nach acht Jahren das Licht dieser Erde. Fans der Band kommen dabei voll auf ihren Geschmack, denn es hat sich soundtechnisch gottseidank nichts geändert und es gibt den typischen Utters-Sound zu hören. Jetzt schreiben wir mittlerweile das Jahr 2012 und die Swingin‘ Utters habe ich gestern im Hafenklang in Hamburg live gesehen. Die Band war mal wieder klasse wie eh und jeh und lieferte mir mal wieder den perfekten Pogosoundtrack, um ausgelassen mein Tanzbein zu schwingen. Nach dem Gig erzählte Johnny mir, dass ein brandneues Utters-Album wahrscheinlich im Februar 2013 erscheinen soll. Beim Songwriting für das neue Werk ist auch verstärkt Jack Dalrymple (One Man Army) involviert. Ich bin gespannt. Hört Euch bis dahin die großartigen alten Scheiben der Band an. Im folgenden Interview kommen die Gründungsmitglieder Johnny Bonnel, Darius Koski und Schlagzeuger Greg McEntee zu Wort. Artikel/Interview: Christian Böttjer/Mind the Gap-Fanzine
Christian Böttjer: Erzählt uns anfangs doch etwas zum aktuellen Album „Here, Under Protest“?
Johnny: Die Songs waren schon 2010 fertig, aber wir konnten nicht viel proben bevor wir ins Studio gegangen sind, deshalb mussten wir während der Aufnahmen immer wieder Veränderungen vornehmen. Wir haben es als eine Band produziert und wollten auch dass es sich so anhört. Die moderne Art und Weise eine Platte aufzunehmen gefällt uns überhaupt nicht. Es scheint, dass viel zu oft Pro Tools eingesetzt wird. Wir bevorzugen eher eine natürliche, unverfälschte Qualität in unserer Musik. Wir mögen es nicht, wenn die Aufnahmen zu künstlich klingen.
Christian Böttjer: Was mögt Ihr an diesem Albumtitel?
Johnny: Wir mögen den Titel, weil er soviel verschiedenes bedeuten kann. Es ist was immer du auch glauben willst, nachdem du es gehört hast.
Darius: Es gab da mal einen Satz den Orson Wells während der Synchronisation eines Werbespots sagte in den siebziger oder achtziger Jahren. Als er älter wurde, hat er viele Werbe-Synchronisationen gemacht, und er wurde wütend auf die Techniker im Studio als er aufnahm. Und deshalb sagte er, dass er den Spot nur „under protest“, also unter Protest mache… Wir mochten dass, denn man konnte das auch auf eine andere Art sehen und das fanden wir interessant. Es ist schon so lange her, dass wir ein komplettes Album mit neuen Songs aufgenommen haben, es ist fast schon so als würden wir uns darüber beschweren. … Ha!
Christian Böttjer: Ende 2010 seid Ihr zum ersten Mal nach langer Zeit mal wieder hierzulande getourt. Warum hat es solange gedauert, und was habt Ihr in den letzten Jahren so getrieben?
Johnny: Wir haben jedes Mal, wenn wir durch Europa getourt sind draufgezahlt. Wir konnten es uns einfach nicht leisten hier zu spielen. Wir waren damit beschäftigt, alle möglichen Arten von Musik mit anderen Bands sowie auch den SWINGIN‘ UTTERS zu komponieren. Und wir quälten uns damit, Miete, Rechnungen und Lebensmittel zu bezahlen.
Darius: Einige von uns haben Kinder groß gezogen und viel gearbeitet… und wir haben alle noch andere Bands. Es ist nicht einfach regelmäßig zu touren oder aufzunehmen, wenn du nicht viel Geld verdienst, versuchst Kinder großzuziehen und aufpassen musst nicht geschieden zu werden. Wir haben während der ganzen Jahre Musik gemacht, nur eben nichts Neues für die UTTERS. Ich weiß wirklich nicht, warum es so lange gedauert hat. Ich denke es ist eine Schande, das wir so die Jahre verschenkt haben. Aber nun sind wir dabei, neues Material zu schreiben und zu touren. Wir haben sozusagen einen zweiten Lauf, und wir genießen es wirklich.
Greg: Jack und ich haben 2005 mit den US BOMBS in Deutschland gespielt. Ich habe auch mit anderen Bands gearbeitet und bin mit VIVA HATE aus Los Angeles getourt.
Christian Böttjer: Was mögt Ihr eigentlich am meisten, wenn Ihr auf Tour seid und was mögt Ihr weniger?
Greg: Es ist großartig die Welt mit unseren Freunden zu sehen, insbesondere wenn es durch unsere Musik ist. Ich mag es andere Kulturen, Traditionen, Musik und Kunst zu sehen. Ich glaube es hilft uns alle Menschen besser zu verstehen, und uns zu zeigen, dass wir alle eine Rasse sind, die darum kämpft zu überleben und glücklich zu sein.
Johnny: Ich liebe es neue Fans zu treffen und neue Orte zu sehen. Die Schmerzen, die es in meinen Knien hinterlässt, mag ich weniger.
Darius: Ich mag alles daran. Ich glaube, manchmal gehen wir uns einfach ein bisschen auf die Nerven und brauchen eine kleine Pause voneinander, aber die einzigen Menschen die ich wirklich ständig um mich haben will, sind meine Frau und meine Kinder, deshalb ist das nichts komisches oder so… Ich liebe das Reisen und die Musik.
Christian Böttjer: Habt Ihr eigentlich noch Kontakt zu Eurem alten Bassisten Kevin Wickersham und zum Gitarristen Max Huber?
Johnny: Ich habe noch Kontakt zu beiden. Kevin ist gerade letzten Sommer mit den SWINGIN‘ UTTERS getourt und hat Bass gespielt. Sie haben die Band verlassen, weil sie etwas anderes mit ihrem Leben anfangen wollten.
Lasst uns über Eure anderen Bands sprechen. In welchen Bands spielt Ihr noch neben den SWINGIN`UTTERS?
Johnny: Ich versuche gerade eine DRUGLORDS OF THE AVENUES Platte fertigzubekommen. Ich habe zwei neue Songs für FILTHY THIEVING BASTARDS geschrieben und zusammen mit Jack einen neuen Song für die SWINGIN‘ UTTERS. Ehrlich, wir schreiben auf die Art, die am meisten produktiv für alle drei Bands ist. Ich schreibe normalerweise die Texte für die großartige Musik, die die anderen Bandmitglieder komponieren.
Christian Böttjer: Was habt Ihr eigentlich für Jobs neben den SWINGIN‘ UTTERS?
Johnny: Ich schlag mich so durch, wie jeder andere auch. Ich bedrucke T-Shirts für unsere Website www.swinginuttersstore.com und für jede andere Band, die günstige aber qualitativ hochwertige Shirts haben will. Ich bedrucke die Shirts in meinem Keller, deshalb ist es kein richtiger Lebensunterhalt. Ich kümmere mich darum, dass meine Kinder zu Schule kommen, hole sie wieder ab und mache das Essen, die Wäsche und den Abwasch. Ich zeichne viel und versuche meine Kunst hier zu zeigen: www.absolutearts.com/portfolios/j/johnalbert.
Christian Böttjer: Mit „Untitled 21: A Juvenile Tribute To Swingin‘ Utters“ ist ein Tribute-Album für Euch erschienen. Wie gefällt Euch das Album?
Johnny: Ein Tribute Album ist einfach nur schmeichelnd, ich muss es ja einfach lieben. Ich wäre wohl eine schreckliche Person, wenn ich etwas Schlechtes über ein Tribute Album sagen würde, oder? Die Coverversion von Off with Their Heads ist sehr gut.
Christian Böttjer: Wie ist eigentlich Eure Meinung zu Barack Obama?
Darius: Ich glaube Politiker sind alle gleich, ich traue keinem von ihnen. Aber ich mag Obama mehr als alle anderen Präsidenten in meinem Leben. Vielleicht ist er auch nur ein sehr listiger, guter Politiker, wer weiß… Ich glaube im Großen und Ganzen hat er es richtig gemacht. Ich bin froh, dass Bush nicht mehr im Amt ist. Ich wünschte mir er wäre im Gefängnis für seine Kriegsverbrechen, aber dafür ist immer noch Zeit. Im Grunde wäre, nachdem unser Land acht Jahre von einem verdammten Kriminellen regiert worden ist, einfach jeder eine Verbesserung gewesen. Ich ducke mich immer noch wenn ich ihn sehe und es ist mir total peinlich, dass mein Land ihn gleich zweimal (!) gewählt hat. Ich denke Obama ist ok, aber nicht der Visionär, auf den alle gehofft hatten. Wenn ich Präsident wäre, würde ich eine universelle Gesundsheitversorgung für alle einführen. Ich würde es so machen wie es in den meisten Ländern auf der Welt ist, oder wenigstens so, wie ihr es in Europa habt.
Johnny: Ich bin damit zufrieden, dass er versucht, dass wieder zu richten, was Bush in acht Jahren versaut hat. Das ist ein Job, den niemand wirklich beenden kann. Amerika hat eine schreckliche Vergangenheit, was Korruption angeht.
Greg: Er ist ein schon ein Stück besser. Aber es braucht mehr Zeit, als vier Jahre, um das zu reparieren, was das Bush-Regime zerstört hat. Ich habe Geduld und werde die Hoffnung nicht aufgeben. Amerika hat’s echt versaut, seit dieses Land von seinen Ureinwohnern gestohlen wurde und Gier, Selbstsucht und machthungrige Menschen aller Schichten, Generationen von Nachkommen mit einer sehr verzerrten Sicht auf unsere Gesellschaft und wie sie sein sollte, in die Welt gesetzt haben.
Christian Böttjer: Was ist für Euch nach über 20 Jahren SWINGIN‘ UTTERS die Motivation Konzerte zu spielen und noch Alben zu veröffentlichen?
Johnny: Sieh es einfach niemals als selbstverständlich an! Wir als Mitglieder der SWINGIN‘ UTTERS haben sehr viel Glück, dass wir in der Lage sind zu reisen, Shows zu spielen und uns auszudrücken. Und dann noch Spaß dabei zu haben.
Darius: Wir wollten alle das gleiche zur gleichen Zeit, und deshalb passiert es wieder. Ich wollte eigentlich nie wirklich aufhören zu touren und aufzunehmen, aber ich bin nicht die einzige Person in der Band. Wir glauben alle noch an die Band, und die Musik, die wir zusammen machen. Wir haben uns nie getrennt oder so, aber wir waren so untätig, was das schreiben von neuem Material angeht. Das ist so, als ob wir eine lange Zeit zu faul waren, oder uns in einem Dornröschenschlaf befanden und wir gerade aufgewacht sind.
Greg: Es ist schön, zumindest eine Sache im Leben zu haben, die ich nicht total versaut habe. Und wir machen es zu lange, um jetzt aufzuhören.
Christan Böttjer: Was war der Grund für Euch, Punkrocker zu werden? Erinnert Ihr Euch noch an Eure erste Punkplatte und an Euer erstes Konzert, dass Ihr gesehen habt?
Johnny: Punkrock ist für mich die Freiheit sich auszudrücken.
Darius: Die erste Platte war die „Should I stay or should I go-Single“, die mir meine Schwester zum Geburtstag geschenkt hat als ich 11 war oder so. Und ADAM & THE ANTS mochte ich wirklich… Meine erste Punkshow war glaube ich DEAD KENNEDYS und MDC oder so…
Greg: Freiheit von Gesellschaften ist cool. Für mich selbst zu denken, anziehen was ich will, essen was ich will, so zu leben wie ich es will. Zur Schule oder zur Arbeit meiner Wahl gehen. Obwohl ich ein hartes Leben hatte, hat Punkrock mir die Mittel gegeben, ein guter Mensch zu sein, nicht nur auf Anarchie und Zerstörung aus. Erste Punkplatte war CLASH und erstes Konzert DEAD KENNEDYS.
Christian Böttjer: Welcher Song und welches Album von den SWINGIN‘ UTTERS gefällt Euch am besten und warum?
Greg: Ich mag Teile von allen Alben. „Streets of San Francisco“ wegen der Erinnerungen. „Five Lessons Learned“ hat Spaß gemacht aufzunehmen. Da haben viele Leute drauf gespielt, weil wir zu der Zeit keinen Bassisten hatten. Ich finde klasse, dass wir mit vielen verschiedenen Musikern und Instrumenten dran gearbeitet haben. „Self-Titled“ war gut, weil die Scheibe mehr von diesem Country/Folk Gefühl vermittelt hat.
Johnny: „Streets of San Francisco“ ist mein Lieblingsalbum, weil 19 Songs drauf sind, einer nach dem anderen. Das war unsere erste LP und sie klingt immer noch eindringlich und packend.
Darius: Schwer zu sagen, aber ich glaube mein Lieblingsalbum ist „Dead Flowers…“ und mein Lieblingssong ist „Shadows and Lies“. Ich weiß nicht genau warum, ich mag die Scheibe einfach und wie der Song geworden ist. Oft hören sich die Dinge später nicht so an wie du sie dir vorgestellt hast.
Christian Böttjer: Was war für Euch in der langen Bandgeschichte der größte Erfolg und was die größte Enttäuschung?
Darius: Größte Erfolge waren, bei Fat Wreck unterschrieben zu haben, 1995 unseren ersten US-Agenten zu bekommen und unsere erste Tour im Herbst 1994. Der größte Misserfolg ist, dass wir nicht wirklich von unserer Musik leben können.
Johnny: Als Vorband für „THE POGUES“ zu spielen war mein größter Erfolg, und dass ich nie JOE STRUMMER getroffen habe mein größter Misserfolg.
Greg: Von Menschen zu hören, denen unsere Musik geholfen oder vor verschiedenen Dingen im Leben beschützt hat. Anderen zu helfen ist Erfolg für mich. Durch die Welt zu touren ist auch großartig. Ich wünschte, wir hätten schon an mehr Orten getourt und wären dort vorwärts gegangen, wo wir Rückschritte gemacht haben.
Christian Böttjer: Viele Leute sagen, dass früher alles besser in Punkszene war, wie ist Eure Meinung dazu? Wie ist Eure Szene in San Franciso?
Johnny: Es war früher besser als wir jünger waren, da gab es nicht diesen Überschuss an grauenvollen Bands und viel mehr Underground. Die Szene in San Francisco war großartig in den neunziger Jahren.
Greg: Es ist komisch, weil Punk mittlerweile so sehr in den Mainstream involviert ist, so war es nicht als ich da rein gekommen bin. Ich glaube immer noch an meine politischen und sozialen Ideale wie früher, aber ich bin etwas ruhiger geworden. San Francisco hat heutzutage eine ordentliche Musik Szene, aber wie überall haben Clubs geschlossen, Leute sind weggezogen, usw.
Christian Böttjer: Wer entwirft eigentlich Eure Album-Cover und welches ist Euer Lieblingscover?
Johnny: Ich bin sehr in die Gestaltung unserer Cover involviert, weil ich so was einfach liebe. Mein Lieblingscover ist wohl das „DRUGLORDS OF THE AVENUES – Sing Songs“ Artwork.
Christian Böttjer: Viele Bands aus Amerika sind sehr patriotisch wie bespielsweise die DROPKICK MURPHYS. Wie ist Eure Meinung dazu?
Darius: Ich bin absolut nicht patriotisch. Ich verstehe einfach nicht, wie wichtig der Patriotismus für einige Menschen ist. Meine Eltern waren beide Einwanderer, also bin ich Amerikaner in der 1. Generation. Ich weiß nicht ob das etwas damit zu tun hat, aber ich kann da wirklich nichts mit anfangen. Ich glaube Amerikaner kommen sehr überheblich und macho-like rüber, wenn sie so überpatriotisch sind. Ich glaube es ist unnötig und ein bisschen vulgär. Um das einmal gesagt zu haben, die DROPKICK MURPHYS sind gute Freunde von uns und
ich will sie in keinster Weise herabwürdigen, es ist einfach nicht so mein Ding.
Greg: Ich liebe unser Land und die Mehrheit der Bevölkerung und ich weiß, das gehört bei vielen dazu. Ich liebe die Leute aus anderen Ländern, und ich glaube nicht dass ich besser als sie bin, nur weil ich Amerikaner bin. Ich glaube nicht, dass irgendeine Rasse, Religion, usw. zerstört werden sollte. Aber ich bin gegen Nationalismus. Da gibt es einen Unterschied. Progressiver Patriotismus wie Billy Bragg es beschrieben hat.
Christian Böttjer: Einige Bands wie beispielsweise die VANDALS haben für die US-Truppen im Irak gespielt. Daraufhin haben viele Fans die Konzerte der Band in Deutschland boykottiert. Wie ist Eure Meinung dazu?
Darius: Ich kann verstehen, warum das einige Leute ankotzt, aber ich glaube die von der USO (United Service Organizations, Dachorganisation für Truppenbetreung) veranstalteten Touren sind eher als Bonus für die Soldaten gedacht und nicht für die Regierung, unter der sie dienen. Ich habe ein Problem mit dem Militär und den Amerikanern die Welt-Polizei spielen und so, aber viele dieser Soldaten sind einfach nur Soldaten – sie glauben sogar manchmal nicht zwingend an das was
sie die ganze Zeit tun. Das ist ein bisschen befremdlich, aber ich glaube man sollte anerkennen, dass sie ihre eigene Sicherheit für die des Landes aufs Spiel setzen. Sie sind ziemlich bewundernswert finde ich. Ich glaube allerdings, dass jede Art von Krieg ein verdammtes Verbrechen ist.
Greg: Ich glaube Soldaten, sowie auch Gefangene, sind einfach nur Menschen. Viele werden in zu jungen Jahren ihres Lebens beeinflusst und treffen falsche Entscheidungen. Natürlich würde ich mir den Weltfrieden wünschen, aber ich unterstütze keine unnützen Kriege.
Christian Böttjer: Viele Leute ziehen sich die Musik nur noch illegal und kostenlos aus dem Internet und kaufen sich keine Platten mehr. Was denkt Ihr darüber?
Johnny: Also mich stört das nicht.
Darius: Ich denke das kostenlose downloaden von Songs ist ziemlich unfair. Ich verdiene so schon nicht genug zum Leben mit der Musik, deshalb ist das so wie das Messer einer eh schon in den Rücken gestochenen Industrie noch mal in der Wunde drehen.
Greg: Das kostenlose Downloaden von Songs hat die Musikindustrie erschüttert. Das ist ein Grund, warum Konzert-Tickets so teuer sind und einige Bands es nicht mehr schaffen. Für einen Musiker ist das als wenn man dein Gehalt halbiert.
Christian Böttjer: Ein Album von Euch heißt „A Juvenile Product of the Working Class“. Ihr habt früher viel von COCK SPARRER gecovert. Stimmt Ihr überein mit den Stereotypen von Skinheads und der Working Class-Attitude?
Darius: Wir mochten COCK SPARRER einfach und wir mochten ein paar der „Oi-Bands aus der Szene und SHAM 69 als wir angefangen haben. Wir haben viele Freunde die Skinheads sind oder waren (nicht-rassistisch engagiert natürlich), und in Santa Cruz gab es eine sehr hohe Bevölkerungsdichte von Skinheads in den achtziger und neunziger Jahren. Ich gebe wirklich einen Dreck auf „Oi“, oder Skinhead, oder „Arbeiter-Klasse“, oder das „richtige Punk-Rock-Verhalten“ oder wie auch immer du es nennen willst. Ich hasse diesen Scheiß einfach. Wir sind eine Punk-Band, und das ist alles was ich dazu zu sagen habe. Ich mag uns nicht „Arbeiter-Klasse“ nennen oder welchen Mist auch immer, denn wenn ich ehrlich bin mache ich lieber nen Haufen Geld mit der Musik als Klempner zu sein. Ich verstehe warum die Leute uns als Mitglieder der Arbeiter-Klasse ansehen und ich respektiere jeden aus dieser Sparte (denn ich bin ja selbst Arbeiter-Klasse), und das ist gut so, aber das ist nie etwas gewesen, womit ich aufgetrumpft habe, was unser Image betrifft. „A Juvenile Product of the working Class“ ist übrigens eine Zeile von Elton John.
Greg: Unsere Musik ist für jeden. Einige von uns kommen aus der Fabrikarbeitersparte, der Arbeiterklasse, der Unterschicht, usw. Auch wenn wir in unserer Jugend Skinheads oder Punks waren, sind wir auf keinen Fall eine Oi- oder Skinhead-Band. Wir sind einfach Musiker.
Johnny: Stereotypen sind nicht gut. Ich stehe hinter jedem und unterstütze jeden aus der Arbeiterklasse. Ich denke, dass ehrliche Arbeit dich zu einem besseren Menschen macht.
Christian Böttjer: Ihr habt ja auch Folkeinflüsse in der Musik. Erzählt mal ein bisschen dazu!
Darius: Wir hören eine Menge verschiedene Musikrichtungen, und eine davon ist Country und Folk Musik, meistens amerikanische, aber eigentlich von überall. Es ist eine natürliche Entwicklung vom Punkrock aus betrachtet. Wir sind auch riesengroße POGUES-Fans. Sie waren immer ein Haupteinfluss für unsere Band. THE CLASH, THE POGUES und STIFF LITTLE FINGERS waren die Top 3 für uns, als wir angefangen haben.
Greg: Als ich aufgewachsen bin habe ich eine Menge Folk Musik gehört, meistens amerikanische aber auch irische. Meine Eltern hatten immer so was an wie GUTHRIE, SEGER, DYLAN, PETER/PAUL & MARY, CLANCY BROTHER, JIM CROCE, CAT STEVENS usw.. THE POGUES, THE CLASH und STIFF LITTLE FINGERS waren große Vorbilder für uns, als wir die Band gegründet haben. Bands die uns als Vorbilder nehmen, machen dasselbe.
Johnny: Ich habe immer diese Protest-Lieder geliebt und die Bands die damit Erfolg hatten. Ich bin stolz auf sie, weil sie unsere Freunde sind.
Christian Böttjer: Bei den POGUES ist jetzt ja Shane wieder dabei, habt Ihr sie mal wieder live gesehen?
Johnny: Ich habe sie in den achtziger Jahren mit Shane gesehen, und bei FILTHY THIEVING BASTARDS hat Spider Stacy von den POGUES eine Zeit lang gesungen.
Christian Böttjer: Ich bin großer DAMNED-Fan. Ihr seid ja mit ihnen getourt. Da gibt es doch bestimmt ein paar lustige Anekdoten!
Darius: Das ist über 10 Jahre her, und es war großartig. Wir sind auf jeden Fall große Fans. Ich war einmal im Hotel-Pool mit CAPTAIN SENSIBLE schwimmen. Das war so verdammt unrealistisch. Er hat mir einen Haufen Geschichten von damals erzählt, und es war echt cool. Das sind einfach nette Leute.
Greg: Ich liebe THE DAMNED. Wir waren auf Tour mit ihnen zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11. September. Es war damals eine sehr emotionale Zeit zu touren. Es hat sich großartig angefühlt vor so vielen betrübten Menschen zu spielen und ihnen damit zu helfen dem zu entfliehen, was sie gerade erlebt hatten. Captain Sensible ist so ein lustiger Typ. Sie sind großartig.
Christian Böttjer: Ok, danke für das Interview. Habt Ihr abschließend noch eine wichtige Message?
Johnny: Wir hoffen wir sehen euch bald in Deutschland. Holt euch SWINGIN` UTTERS, FILTHY THIEVING BASTARDS, DRUGLORDS OF THE AVENUES und meine persönlich designeten T-Shirts auf www.swinginutterstore.com. Danke!
Greg: Peace & Love.
Das Interview stammt aus dem aktuellen Mind the Gap-Fanzine.
Die Ausgabe ist für 2 Euro + Porto erhältlich bei Christian Böttjer, Chapeaurougeweg 6, 20535 Hamburg.