RASTAKNAST Interview (09.09.2012)

RASTA KNAST sind eine der wenigen deutschen Punkbands, die ich nun schon seit ihren Anfangstagen verfolge und von denen ich bisher nie enttäuscht wurde. Weder hat mir die Band ein schlechtes Konzert abgeliefert, noch habe ich eine schlechte Aufnahme der Jungs gehört und das obwohl sich die Combo in den 15 Jahren ihres Bestehens mehr als nur einer Umbesetzung unterziehen musste. Es muss vor über zwölf Jahren gewesen sein, als ich RASTA KNAST das erste Mal live erleben durfte. Damals mit MOLOTOW SODA auf Tour waren noch HöhNIE und Konrad K. (R.i.P.) mit von der Partie. Als Halbwüchsiger und riesen BRIEFTAUBEN Fan organisierte ich mir natürlich noch schnell ein Autogramm und erlebte dann eines meiner besten Punkrockkonzerte! Es folgten viele weitere großartige Parties, tolle Platten und wenn es in der Deutschpunklandschaft eine Konstante gibt, dann sind das RASTA KNAST! Eine Dekade später sitze ich hier und denk mir Fragen für die Band aus, die ATTI ausführlich beantwortete und somit für viel interessanten Lesestoff sorgt!

RASTA KNAST ist ja mehr als bekannt für seine häufigen Besetzungswechsel. Kannst du zu Beginn kurz die aktuelle Besetzung vorstellen?

Klar…als da wären: MARTIN aus Celle an der Leadgitarre und am Gesang, Gründungsmitglied und unser musikalischer und kreativer Kopf. Dann DOM aus Hannover, seit vier Jahren an Bass und Gesang, und NILS, auch aus Hannover, an den Drums seit 2 Jahren. Dann gibt’s noch mich (ATTI) an Rythmusgitarre und Gesang, ich bin auch aus Hannover und seit 5 Jahren an Bord. Eingestiegen bin ich als Bassist, zu der Zeit waren noch Peter (Gitarre) und Phill (Schlagzeug) dabei.
Aber zum Thema Besetzungswechsel kann ich nur sagen, dass wir im Moment ein so gutes Klima in der Band haben, dass uns zur Zeit kein Szenario wahrscheinlich erscheint, das die momentane Besetzung trennen könnte. Die geringe räumliche Distanz hat sich da inzwischen auch als Notwendigkeit herausgestellt, sonst hätten wir die Platte wohl kaum aufnehmen können (wie in den Jahren zuvor).

Es hat jetzt 11 Jahre gedauert, um den Nachfolger von „Bandera Pirata“ einzuspielen und seit dem letzten musikalischen Lebenszeichen „Friede, Freude, Untergang“ sind auch schon wieder 4 Jahre ins Land gezogen. Warum hat das so lange gedauert?

Unter anderem haben da die Besetzungswechsel der Vergangenheit reingespielt, die die Band zeitweilig ausgebremst haben. Mit neuen Mitmusikern muss man ja erstmal eine Weile proben bis die Songs sitzen und man aufeinander eingespielt ist, vor allem Letzteres dauert immer eine Weile. Ganz zu schweigen von der SUCHE nach neuen Mitstreitern, es mussten ja Leute sein, bei denen das Miteinander passt, die die Musikrichtung mögen und spielen können, die genug Zeit für und Bock auf die Band haben und die nicht zu weit entfernt wohnten. Womit wir bei nem weiteren Aspekt wären, der auch Einfluss auf die lange Zeitspanne zwischen den Alben/EPs hatte. In früheren Besetzungen wohnten die Bandmitglieder teils recht weit auseinander, da war es dann wegen der notwendigen Reiserei zeitaufwändig und teuer sich zu treffen, was die Entstehung einer Platte behindert hat. Hinzu kommt, dass keiner von uns von der Band lebt, also waren nebenher immer Arbeit, Ausbildung, Studium etc angesagt.

Auch wenn sich RASTA KNAST zweifelsohne musikalisch weiterentwickelt haben, habt ihr es dennoch geschafft, den typischen Sound – der die Band nun seit 15 Jahren prägt – wieder einzufangen. Gleich beim ersten Ton von „Trallblut“ war für mich klar, DAS SIND RASTA KNAST! War das angesichts der langen Pausen und Besetzungswechsel eigentlich sehr schwierig?

Freut uns, dass Du das so siehst! Es hat recht lange gedauert (und war so gesehen schwierig), zu einer Besetzung zu finden, bei der alle Umstände gegeben sind, die zur Produktion der Platte nötig waren, hauptsächlich in Sachen Zeit und Entfernungen. Aber wir haben uns nicht speziell, um die Platte machen zu können, in dieser Besetzung zusammengefunden, sondern wir haben uns mehr räumliche Nähe gewünscht, damit wir generell aktiver sein können als Band. Weite Fahrten und volle Terminkalender bremsen ja auch Proben, Konzerte und sonstige gemeinsame Unternehmungen aus. Jetzt sind diese Ausgangsbedingungen endlich mal günstig – und persönlich liegen wir eh auf einer Welle.
So, jetzt aber mal zurück zur eigentlichen Frage ;-), nee, den typischen Rasta Knast-Sound hinzukriegen war eigentlich nicht schwer. Das liegt hauptsächlich daran, dass Martin musikalisch bei uns federführend ist: er hat den Sound schon immer sehr geprägt und daran hat sich nichts geändert, zumal ja alle Platten, auch die Neue, in seinem Studio eingespielt und von ihm gemischt wurden. Der zweite wesentliche Aspekt ist, dass wir alle das selbe Ziel vor Augen hatten: als Rasta Knast eine Rasta Knast-Platte zu machen, von daher gab es auch keine Meinungsverschiedenheiten diesbezüglich und wir hatten recht genaue Vorstellungen davon, was wir wollten.

A pro po „Trallblut“, was genau steckt hinter dem Titel des neuen Albums?

Das ist eine Wortschöpfung, „Trallpunk“ ist der melodische schwedische Punkrock, den unter anderem ASTA KASK seit den frühen 80ern entwickelt und geprägt haben. Also die Musikrichtung, wegen der Rasta Knast gegründet wurde und die wir heute auch noch machen. Das Wort „Blut“ ist eingeflossen, weil Blut etwas so essenzielles und lebensnotwendiges hat, das spiegelt für uns die große Bedeutung von Musik und Band in unseren Leben wieder – und auch die für uns als Punkrockkapelle fundamentale Bedeutung des Trallpunk, weil ohne den gäb’s Rasta Knast ja nicht. Und ein weiterer Effekt von diesem Namen ist noch, dass er irgendwie beinhaltet, dass wir eine schwedische Musikrichtung („Trall“ heißt übersetzt Rythmus oder Melodie) mit deutschen Texten spielen.

Mit „Die Anderen“ hat es mein Lieblingslied der „Friede, Freude, Untergang“-EP auf das neue Album geschafft. Warum habt ihr diesen Song noch mal ausgegraben?

Naja, wir haben uns gedacht, dass man ihn vergraben zu schlecht hört ;-)…wobei das aber in gewisser Weise den Kern der Sache trifft: zum Einen mögen wir den Song und waren mit der älteren Aufnahme rückblickend nicht ganz zufrieden, die war in ein paar Details nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Zum Anderen fanden wir, dass der Song sich schön in das „Sortiment“ der anderen Songs der Platte einfügt, wir wollten da ja Abwechslung drin haben in Sachen Tempo und Atmosphäre. Soweit zu den musikalischen Gründen.
Wichtig ist aber auch, dass der Song ja eine vergleichsweise konkret formulierte Botschaft hat, die uns am Herzen liegt (Augen auf und nicht wegsehen bei sozialen Ungerechtigkeiten und dem Elend Anderer!) und die leider nichts von ihrer Aktualität und Notwendigkeit eingebüßt hat. Und die erreicht auf dem Album vermutlich mehr Menschen, da die EP ja hierzulande ausschließlich als Vinyl veröffentlicht wurde.

In diesem Song singt ihr sehr eindrucksvoll von der momentan weitverbreiteten sozialen Kälte in Deutschland – jeder ist sich selbst der nächste. Da ihr viel in der Welt rumgekommen seid (u. a. Brasilien, Baltikum, Japan etc.), könnt ihr da vielleicht einen Vergleich anstellen. Wie sieht es in diesen Ländern aus?

Bei den Touren im Baltikum und in Japan war ich noch nicht an Bord, dazu kann ich nur das, was ich selber von Martin und einigen unserer Ex-Kollegen erzählt gekriegt habe, wiedergeben:
In Japan ist die Mentalität der Leute eine ganz andere; es geht überall in hohem Maße darum, die Fassade bzw. das Gesicht zu wahren. Das äußert sich darin, dass man Gästen gegenüber keinerlei Kritik übt und sich nicht anmerken lässt, wenn einen etwas stört, denn das gilt als nicht gastfreundlich und unfein. In gewisser Weise ist das so gesehen auch ein kaltes Klima weil Emotionen und persönliche Bedürfnisse nur sehr eingeschränkt ausgedrückt werden können/dürfen – man hat der Etikette zu gehorchen. Aber unterm Strich ist Japan ein reiches Land und insofern kaum mit einigen baltischen Staaten oder Brasilien vergleichbar, es gibt weniger Armut.
Zum Baltikum ist zu sagen, dass da, nach allem was ich gehört habe, eine Situation vorherrscht, die man bei vielen post-sowjetischen Staaten antrifft: Der Armut ist generell höher als in Westeuropa und es herrscht eine grundsätzlich „härtere Gangart“ vor, es gibt wesentlich mehr Gewalt und die wird vielfach als völlig normal angesehen weil die vorausgegangenen Generationen es auch nicht anders kannten: im Zarenreich die Ausbeutung der vornehmlich bäuerlichen Landbevölkerung durch den Adel und im Anschluss daran, in der Sowjetzeit, ebenfalls viel Willkür und Armut. Jetzt entwickeln sich dort teilweise Staatssysteme nach westlichen Vorbildern, die demokratisch sein wollen, aber immer wieder über das Erbe der Vergangenheit stolpern, das noch immer auf die Mentalität der Menschen nachwirkt (siehe Lukaschenko). Ich würde sagen, da sind irgendwie alle Sichtweisen radikaler, entweder bist Du ein Freund, dann trinkt man einen zusammen und alles ist super, oder Du bist ein Feind – dann gibt’s aufs Maul, gerne auch mit Eisenketten.
In Brasilien gibt es jede Menge Armut, da leben Millionen Menschen in Elendsvierteln, den sogenannten Favelas, in Häusern aus Schrott und unter der Herrschaft von Drogengangs . Oftmals wohnen die Superreichen nur ein paar Kilometer entfernt, und auch nach unserem Standard normale Wohnhäuser sind eingezäunt und rund um die Uhr bewacht. Dort sind einfach die Kontraste immens: Limousinen fahren z.B. durch die Straßen von Rio, an deren Rändern Menschen halbtot in ihrem Dreck liegen. Die Polizei trägt grundsätzlich mindestens MPs und ist schnell mit dem Finger am Abzug – wenn man kontrolliert wird, ist gehorchen angesagt, sonst kann das lebensgefährlich werden.
AGROTOXICO haben mal erzählt, dass eine der häufigsten unnatürlichen Todesursachen „verirrte“ Kugeln sind, denn wenn Polizei und Drogenbanden sich Schießereien mit automatischen Waffen liefern, durchschlagen die Kugeln in den Favelas meistens die dünnen Wände gleich mehrerer Hütten. Armut sieht man überall in den großen Städten, Kleinkriminalität ist absolut alltäglich und Gewalt sehr häufig – und Menschen, die dort leben, sind das gewohnt.
Trotz all dem passt der begriff „Kälte“ irgendwie nicht, denn die Leute sind sehr kommunikativ und lebhaft und oft auch unglaublich hilfsbereit. Wenn einem in Deutschland ein Reifen platzt, bleibt man stehen und ruft den ADAC. In Brasilien kommen dann gleich etliche Leute aus der Nachbarschaft herbeigeeilt, um zu helfen, egal ob arm oder reich. Und auch die Punkszene ist solidarischer; da feiert der Metaller mit dem Punk und der mit dem Crust-Anhänger, während hier jede Gruppe auf ihre Veranstaltungen geht und eher für sich bleibt.
Also ich würde mal sagen, in Brasilien ist eher zu viel Hitze als Kälte, auch im übertragenen Sinn.
Ich hoffe das beantwortet die Frage halbwegs.

Bei den ganzen Auswanderungsshows im Fernsehen habe ich zur Zeit das Gefühl, dass jeder weg will aus Deutschland und sich wo anders ein besseres Leben erhofft. Steht oder stand das für dich oder für euch als Band jemals zur Debatte? Vielleicht könnte man in einem anderen Teil der Welt noch von der Musik leben?

Nein, das stand für mich privat und auch für uns als Band eigentlich nicht zur Debatte. Wir haben ja hier auch viele Freunde und Verwandte, das bindet einen schon irgendwie.
Ich persönlich würde auch sagen, dass ich mich hier mehr zuhause fühle als woanders. Damit meine ich nicht Deutschland als politisches System oder Bündel kultureller Eigenschaften (da hab ich in anderen Ländern schon einiges gesehen, was mir besser gefiel), sondern den Stadtteil in dem ich lebe und meinen Freundeskreis.
Zu der Chance, von Musik zu leben: wir fänden das zwar alle schön – aber wollen es nicht um jeden Preis. So Sachen wie Deutschrock machen, auswandern, an Casting-Shows teilnehmen o.Ä. sind uns da ne Ecke zu krass, dann machen wir lieber weiter wie bisher.

In eurer Presseinfo steht, dass ihr bisher über 30.000 Tonträger verkauft habt. In den heutigen Zeiten klingt das schon beeindruckend. Wie läuft der Verkauf des neuen Albums?

Hm, also das haben wir da nicht selber reingeschrieben, ich glaube, so spontan hätte auch keiner von uns da ’ne Zahl parat gehabt ;-). Das kann aber hinkommen, wenn man überlegt, dass es die Band schon seit 15 Jahren gibt und in den ersten Jahren waren mp3s ja noch nicht allgegenwärtig. Wenn man das einbezieht und die Tatsache, dass die Platten teils auch in anderen Ländern von dortigen Labels rausgebracht wurden, mag das stimmen.
Heute werden kaum noch CDs verkauft, ich habe keine genauen Zahlen – aber würde mal schätzen, dass das um mindestens 75% zurückgegangen ist in den letzten 10 Jahren. Gemessen daran verkauft sich die Trallblut verhältnismäßig gut. Aber die bei weitem meiste Verbreitung läuft einfach übers Internet. Die Platte stand 5 Stunden nach der Veröffentlichung auf den ersten Warez-Seiten im Netz und wird da seitdem scheinbar viel angeklickt, da kann der CD-Verkauf zahlenmäßig nicht annähernd mithalten.

Wie ist denn das bisherige Feedback auf die neue Scheibe?

Das schriftliche Feedback ist bis jetzt ziemlich positiv, bisher konnten wir immer aufatmen, wenn wir neue Reviews im Netz gefunden haben ;-). Im Freundes- und Bekanntenkreis sah es eigentlich ähnlich aus. Ob unsere Hörerschaft die Platte mag, werden wir in den nächsten Monaten bei den Konzerten rausfinden – das ist für uns die spannendste Frage und wir freuen uns drauf.

Beim Song „Waidmanns Unheil“ gibt es für mich zwei Möglichkeiten der Interpretation. Entweder es handelt sich um eine Art Tierschutzsong und man darf den Text 1-zu-1 verstehen. Oder ihr verwendet das Ganze als Metapher und man kann den Text übertragen? Wie sieht’s aus?

Ok, also uns liegen ja weder Tierschutz noch Metaphern fern ;-)….eigentlich sagen wir in der Regel nicht so gerne eindeutig worum es geht, weil wir möchten, dass die Leute sich selber einen Reim drauf machen. Andererseits sieht es bei „Waidmanns Unheil“ ähnlich aus wie bei „Die Anderen“ – in Sachen Botschaft, die uns am Herzen liegt. Es ist ein Tierschutz-Song über das Jägertum und kann 1 zu 1 verstanden werden. Denn beim Jagen wird das Töten von Tieren meistens als Sport oder Unterhaltung empfunden, es stehen also niederste Beweggründe dahinter. Das Ganze wird dann nach außen hin als Notwendigkeit zur Landschafts- und Waldpflege verkauft und die Jägerschaft präsentiert sich gerne als Beschützer der Natur. Oft ist aber das Gegenteil der Fall, z.B. reagieren Füchse auf einen Bestandsrückgang mit noch größeren Würfen, das heißt das Abschießen der Tiere reproduziert und vergrößert in Wirklichkeit die vermeintliche Problematik und das wird dann ausgenutzt, um wieder auf die scheinbare Notwendigkeit des Jagens zu pochen. Da das ein Umstand ist, der in die öffentliche Meinung kaum einzufließen scheint, wollen wir mit dem Song (im Rahmen unserer Möglichkeiten) darauf aufmerksam machen.

Worauf beruht denn „Haunted House Of Sligo“?

Der Song beruht auf einem Erlebnis auf unserer Irland-Tour 2011. Am letzten Abend der Tour haben wir im „Trades Club“ in Sligo gespielt und wurden danach zusammen mit unseren Freunden von LEFT FOR DEAD von einigen irischen Punks zum Übernachten in ihr Haus eingeladen. Als wir da nachts ankamen war das eine Szenerie wie aus nem Horrorfilm, das Ding war echt groß (fast schon eine Burg) und hunderte Jahre alt. Das Haus hatte einer alten Frau gehört, deren Familie da über Generationen drin gelebt hat und sämtliche Einrichtung ist unverändert geblieben; alte Möbel, Klamotten, Geschirr, dunkle Kammern und überall hängen Gemälde von den Vorfahren, die einen im Halbdunkel von den Wänden anstarren. Teils auch noch deren Uniformen aus dem irischen Unabhängigkeitskrieg 1919-21 und sogar Ritterrüstungen… eigentlich sieht es von außen und von innen aus wie aus einer anderen Zeit, wir hatten jedenfalls noch nichts Vergleichbares gesehen.
Jetzt leben Punks in dem Haus, die sehr darauf achten dass alles erhalten bleibt. Wie das dann immer so ist, wenn man mit Freunden unterwegs ist, feiert man dann noch ne Runde und zu später Stunde, als alle gut einen im Tee hatten, hat das dann ne ganz eigene Atmosphäre, eine Mischung aus Punkrock und Geschichte, Party und Horror, entfaltet. Das hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen und war echt einzigartig, deshalb haben wir den Song darüber gemacht. Auch als Dankeschön an die irischen Punx und LEFT FOR DEAD, die uns auf die Tour eingeladen haben.

Die Finanz- / Euro-Krise etc. beherrscht jetzt seit Jahren die Medien. Kümmert euch das noch oder habt ihr bereits resigniert und wartet ohnmächtig auf die Dinge die noch kommen?

Klar kümmert und besorgt uns das. Aber solche Krisen sind im Kapitalismus systemimmanent und unvermeidlich. Eine nachhaltige Lösung ist in diesem System in unseren Augen nicht zu erreichen. Trauriger Weise werden dann Leute, die wirklich über Systemalternativen nachdenken und reden wollen, als realitätsfremd und (inzwischen oft allein wegen der Ablehnung des Bestehenden) an der Grenze zum Terrorismus befindlich stigmatisiert. Je näher die, die dieses System ideologisch befürworten, die Grenze seiner Belastbarkeit wähnen, desto mehr wird verzweifelt “in alle Richtungen geschlagen und getreten”, indem seine Alternativlosigkeit betont- und die Notwendigkeit seiner provisorischen Stabilisierung verteidigt wird. Da fühlt man sich schon ohnmächtig. Als die Planwirtschaften versagt hatten und der Kommunismus weitgehend verschwand, wurde im ganzen Westen dekadent und gönnerisch reagiert nach dem Motto „War ja klar, das konnte ja nicht klappen, jetzt guckt euch mal was von uns ab“. Jetzt versagt der Kapitalismus (mal wieder, es gab ja schon ein paar Wirtschaftskrisen), ebenfalls auf Grund seiner konzeptuellen Schwächen, und da geht dann das große Rätseln los…“Wer könnte bloß Schuld sein, wer hat uns da ausgetrickst? Ah ja, die Banken sind’s!“ Das ist völliger Schwachsinn. Banken sind auch nur Akteure im großen Ganzen und die laufen wie sie laufen, weil wir Konsumenten gierig sind. Das Gesamtsystem versagt bei der Aufgabenstellung, die (Wettbewerbsgesellschaftsgeprägten) Konsumverhaltensweisen seiner Akteure in einer gemeinschaftsverträglichen Art und Weise zu integrieren.

Mit „Kamilosetas Muskaria“ ist auch ein spanisches Label an der Veröffentlichung von „Trallblut“ beteiligt. Spanien hat laut Medien momentan viel mehr mit der Krise zu kämpfen. Könnt ihr das durch eure Kontakte bestätigen? Wie geht es einem Punklabel in diesem Land?

Ja, wir kriegen von unseren Freuden in Spanien schon mit, dass es dort etwas schwieriger ist als hier. Hier freut man sich, wenn man Glück hat, einen coolen Job zu kriegen, dort ist es teilweise schon eine Besonderheit, überhaupt Arbeit zu haben.
Aber (was jetzt nichts relativieren soll) Spanien hat schon seit vielen Jahren eine für europäische Verhältnisse extreme Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten. Wenn man da die Zahlen liest, wundert man sich zunächst mal, wie das Land dabei überhaupt stabil bleiben kann. Aber unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten haben über die Zeit auch unterschiedliche Abfederungsmechanismen hervorgebracht; in Spanien wohnen junge Leute in der Regel viel länger bei ihren Eltern, häufig bis zur Hochzeit, was dann erklärt, wie sie trotz Arbeitslosigkeit und leerer Staatskassen halbwegs über die Runden kommen. Für kleine Punklabels sieht es dort aber eigentlich ähnlich wie hier aus; die meisten finanzieren sich mangels Tonträgerverkäufen überwiegend über Merchandise, also T-Shirts und so.

Das neue Album „Trallblut“ ist als CD-Version auf Destiny Records erschienen und wird vom Plastic Bomb als Vinyl aufgelegt. Wie kam es zu dieser Konstellation?

Das kam so: Vor ein paar Jahren haben wir uns nach einem Label umgeschaut weil Peter (der ursprünglich von HASS kam, aber 6 Jahre bei Rasta Knast gespielt hat und auch das bandeigene Label betrieb) sich wieder auf andere Sachen konzentrieren wollte. Nachdem wir mit einigen interessierten Labels geredet hatten, haben wir uns für Destiny entschieden, denn da passte einfach alles in Sachen Freundlichkeit und Professionalität und wir wurden in keinster Weise eingeschränkt, was uns sehr wichtig war und ist. Wir sind dann quasi mit Sack und Pack „umgezogen“, Destiny haben unsere älteren Alben wieder aufgelegt und kurz darauf auch die „Tertius Decimus“ rausgebracht, die wir anlässlich des dreizehnten Band-Geburtstages aufgenommen/zusammengestellt haben.
Als jetzt unsere Pläne für die „Trallblut“ konkret wurden, wollten wir natürlich auch eine Vinyl-Version machen. Da wir mit den Plastic Bombern ja in der Vergangenheit schon super zusammengearbeitet haben und die den Vinyls und ihren Liebhabern noch eine angemessene Bedeutung einräumen, haben wir Destiny gefragt, ob sie einverstanden sind, wenn wir die Vinyl-Version auf Plastic Bomb Records rausbringen. Das war absolut kein Problem – worin sich für uns in Sachen Freiheit und Unkompliziertheit wieder bestätigte, dass wir mit Destiny die richtige Wahl getroffen haben.

Du bist zwar erst weit nach HöhNIEs Zeit bei RASTA KNAST eingestiegen, aber wie ist eigentlich der aktuelle Stand eurer Beziehungen zu ihm? Gibt es da überhaupt noch Kontakt?

Nein, da gibt es eigentlich keinen Kontakt in letzter Zeit, von daher gibt’s auch keinen Stand der Beziehungen, den ich näher erläutern könnte, sorry.

Habt ihr eigentlich noch mit Leuten zu kämpfen, die immer nur die alten Sachen hören wollen?

Ja, wir haben es schon sehr schwer…Hehe, nein, im Ernst: Es gibt Leute, die alte Sachen hören wollen und das sind auch recht Viele. Aber das verwundert und stört uns eigentlich nicht weil uns das selber bis zu nem gewissen Grad genauso geht. Wenn ich z.B. zu nem Konzert von Social Distortion gehe, will ich auch gerne die Songs hören, die mich in dieser oder jener Situation begleitet haben und mit denen ich eigene Erinnerungen verbinde.
Es kommen bei uns aber, wenn wir was Neues veröffentlicht haben, zum Glück auch viele Leute und wollen, dass wir was davon spielen, so gesehen scheint es beide Sichtweisen zu geben. Aber generell ist es so, dass neue Songs ja auch wieder zu Alten werden, das dauert nur seine Zeit. Anfangs, wenn noch weniger Leute die Songs kennen, werden neue Songs vom Publikum erstmal eher aufmerksam verfolgt. Bis die dann auf den Konzerten ähnlich abgefeiert werden, wie die Älteren, dauert es einfach ne Weile. Bisher kam dieser Punkt aber glücklicherweise immer irgendwann und wir hoffen natürlich, dass das auch diesmal so sein wird.

Ihr seid, im Gegenteil zu vielen anderen Bands, auf dem diesjährigen Force Attack aufgetreten. Wie war es für euch? Trifft aus deiner Sicht irgendjemanden die Schuld oder war dieses Chaos unvermeidlich? Denkst du, dass das einstige Punkrock-Vorzeige-Festival noch eine Zukunft hat?

Uiuiui, über das Thema könnte man Bücher schreiben, wahrscheinlich ne halbe Bibliothek, wenn man sämtliche Gerüchte, Internet-Debatten, Pressemeldungen etc. drin haben will. Wir haben das im Vorfeld, auch weil es uns ja mit betraf, tagelang verfolgt und als wir dann tatsächlich da waren, haben wir ziemlich episch gefeiert ;-). Von diesem Gesamtpaket an krassen Eindrücken dröhnt mir immernoch ein bisschen der Schädel. Ich versuche mal zu Antworten – in der Hoffnung, dass was Sinnvolles dabei rauskommt.
Also, für uns als Band lief unser Aufenthalt in Stavenhagen gut und hat Spaß gemacht. Auf das Hin und Her im Vorfeld und das Ausbleiben von Informationen hätten wir verzichten können. Gemessen an der Kurzfristigkeit ist vor Ort alles erstaunlich gut organisiert worden, das hat uns schon überrascht. Wir waren bei der Abfahrt gar nicht sicher, ob wir überhaupt zum Gelände durchkommen würden und ob die Bühnentechnik komplett sein würde – was dann aber letztlich beides der Fall war.
Aber wir waren da auch in einer anderen Position als viele Besucher. Die Wut derer, die sich Urlaub genommen, Fahrten gebucht etc. haben, kann ich gut verstehen. Wäre mir genauso gegangen. Aber um zu beurteilen, wen die Schuld daran trifft, weiß ich zu wenig. Der Informationsfluss war ein überfischtes, trübes Rinnsal, um das mal vorsichtig zu umschreiben, und ganz offensichtlich gab es mehrere Interessengruppen (Veranstalter und Veranstaltungsgegner, BesucherInnen, Stadt, Behörden, Anwohner etc), die im Internet in unterschiedlicher Richtung Stimmung gemacht haben. Was da der Wahrheit entsprach und welche Informationen von wem manipuliert oder gezielt gestreut wurden, kann ich auch im Nachhinein nicht sicher sagen. Fakt ist in meinen Augen, dass es stattgefunden hat, sowohl das gezielte Streuen/Zurückhalten von Informationen, als auch das Festival. Ob Letzteres in Zukunft so sein wird – ich denke schon, aber in welcher Form und Größe hängt davon ab, wie die Mehrzahl der Leute das rückblickend beurteilt. Und das wiederum zum Teil davon, ob es nachvollziehbare und angemessene Erklärungen für die Ereignisse gibt. Ich persönlich fände es sehr schade, wenn nicht, denn ich hab in so manchem Jahr auf dem Force echt hammergeile Partys erlebt, als Bandmitglied und auch als Besucher.

Wie stehst du / ihr als Band zur Entwicklung in der Punk- und Oi-Szene, dass immer mehr Bands in die Deutschrock-Ecke abdriften und auf unsäglichen Festivals wie dem O.F.T. oder G.O.N.D. spielen?

Da sind wir alle einer Meinung, glaube ich: wir finden diese Entwicklung bedauerlich. Das muss jede Band für sich entscheiden – aber wir würden niemals auf solchen Festivals spielen oder uns als Deutschrock bezeichnen.
Nichts gegen Rockmusik, die deutsch-sprachige Texte hat, aber wenn Du vor 8 Jahren „Deutschrock“ bei Wikipedia eingegeben hast, wurden da Grönemeyer und Westernhagen als Beispiele angeführt. Wenn Du das heute machst, bzw. nach heutigen Vertretern des Genres suchst, erscheinen da nur(!) Beispiele, um die es schon öffentliche Debatten wegen Grauzone, rechts-offen u.s.w. gegeben hat. Das allein sollte genügen, einen als Punk- oder Oi-Band zu der Überlegung anzuregen, ob man sich da wirklich in passender Gesellschaft befindet. In meinen Augen funktioniert diese Deutschrock-Transformation so:
Du bist ne Punk- oder Oi-Band und möchtest gerne mehr Hörer haben, größere Konzerte spielen und vielleicht sogar davon leben können. Nach einigem Abwägen bezeichnest du deine Musik ab jetzt als Deutschrock. Nun haben auch Willi von gegenüber mit seinem BO-Heckscheiben-Aufkleber und Frau Müller von nebenan, die Westernhagen immer mochte und nicht mehr die Jüngste ist, keine Hemmungen mehr, zumindest mal in deine Musik reinzuhören. Als da noch „Punkrock“ stand, wollten die Beiden damit nichts am Hut haben (P-u-n-k? Das waren doch die mit den Chaostagen und so…), aber jetzt schreckt die verrufene Bezeichnung nicht mehr ab. Und bei Tausenden von Willis und Frau Müllers werden ne ganze Menge dabei sein, denen die Musik gefällt, du vergrößerst deine Zielgruppe. Die Empörung ehemaliger Weggefährten bringt Aufmerksamkeit und entpuppt sich sogar als ganz gute zusätzliche Werbung. Du denkst, du hast im Gegensatz zu den Anderen geschnallt, wie der Hase läuft. Dass neben Willi und Frau Müller jetzt auch Braunhemd-Bodo nicht mehr „Zeckenmucke“ denkt und vielleicht mal zum Konzert kommen möchte, nimmst Du in Kauf – oder denkst gar nicht drüber nach. Idealerweise konzentrierst Du Dich inhaltlich auf den Themenkomplex Ficken-Saufen-Party-Heimat, denn damit singst Du auch allen Bild-Abonnenten aus der Seele, nicht mehr bloß der Szene. Du bist Deutschland. Irgendwie.
Ich persönlich finde sowas würdelos. Ich fänd’s auch super, von Musik leben zu können, einfach weil ich dann den ganzen Tag Musik machen könnte, das wäre geil. Aber nicht zum Preis meiner Glaubwürdigkeit! Und wir als Band werden auf solche Züge sicher nicht aufspringen. Aber Jeder hat ein Recht auf seine Meinung und so lange Niemand zu Schaden kommt, finde ich das auch richtig so – auch wenn ich manche Standpunkte zum Kotzen finde. Da kann man nur gegen anreden und hoffen, dass man die besseren Argumente hat.

Nervt es dich auch, wenn Bands wie die KASSIERER, S.I.K. oder BETONTOD zusammen mit FREI.WILD auftreten? Wie reagierst du dann? Strafst du diese Bands mit Missachtung oder tolerierst du das?

Naja, was könnte oder sollte ich dagegen tun? Ich find’s nicht gut und ich kann mir diese oder jene Band dann nicht mehr anhören, weil ich von dem Wertegefüge, was da im Hintergrund zu stehen scheint, enttäuscht bin, weil ich mir das angesichts der Songtexte vielleicht anders vorgestellt hatte. Ich finde diese F.W-Geschichte wegen ihrer kritiklosen Akzeptanz, grade ausserhalb der Szene (irgendwie schon fast ein Barometer für den Grad an aggregierter Rechtsoffenheit der Mainstreamkultur), echt unappetitlich/bedenklich und wenn ich mir ne Band nicht anhöre, missachte ich sie ja irgendwo (im Sinne von nicht-BEachten), aber nicht weil ich meine, das Recht zu haben, irgendwen damit zu strafen, sondern eher weil ich (betrübt) denke „och nee, die jetzt auch?“, wenn sich das Bild, was ich von der politischen Weitsicht und Authentizität der Band hatte, verflüchtigt.

Wie sehen denn die Zukunftspläne von RASTA KNAST aus?

Jetzt werden wir erstmal wieder mehr Konzerte spielen. Um die Zeit für die Aufnahmen zu finden, haben wir ja unsere Live-Präsenz in der ersten Hälfte des Jahres zurückgeschraubt und jetzt wird’s mal wieder zeit, unterwegs zu sein, es juckt schon ;-)
Wenn die derzeitige Besetzung so bestehen bleibt (wogegen im Moment nichts spricht), wird es diesmal auch keine 11 Jahre bis zur nächsten Platte dauern. Aber in konkreter Planung ist da noch nichts, wir möchten uns auch nicht zu langfristig festlegen. Erstmal ist herumreisen, feiern und Krach machen angesagt.

Vielen Dank für das Interview und bis zum nächsten Konzert!

East Side Daniel