„Stigma“ haben mit „For Love And Glory“ ein richtig schönes Punk Album am Start. Die Hardcore Fraktion wird natürlich auch bedient, keine Frage. Aber mal abgesehen von der guten Mucke, sind es vor allem die Texte, die sehr viel Spaß machen und Gelegenheit zum Nachdenken geben. Ein Grund mehr, um uns mit Basser Mike ein wenig zu unterhalten.
Marcel:
Ok Mike. Lass uns direkt über eure neue Platte sprechen. Ich habe auf dem letzten Sunny Bastards Festival von vielen Leuten gehört, das sie euren Track auf dem Label Sampler richtig geil finden. Der Meinung kann ich mich nur anschließen. Euer neues Album überzeugt auf ganzer Linie. Erzähl doch mal ein bisschen was darüber.
Mike:
Es freut mich sehr zu hören, das dir und den anderen die Platte so gut gefällt. Sie ist für mich und Vinnie besonders wichtig. Es ist jetzt auch fünf Jahre her, seit „New York Blood“ unsere erste Platte veröffentlicht wurde. Jamey Jasta (Sänger – Anm.d.Verf.) von Hatebreed, war im übrigen der Initiator der ganzen Geschichte. Er hatte die Idee für diese Band und war auch der Haupt Songwriter dieser Platte. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Ahnung was daraus werden wird. Die neue CD haben wir aber eigenständig und zusammen als Band geschrieben. Ich habe das meiste Material komponiert und Phil Caivano von Monster Magnet, hat mir geholfen als es ums schreiben und produzieren ging. Davon ab hat er auch ein paar Gitarren eingespielt. Wenn du beide Platten miteinander vergleichst, merkst du das wir bei der neuen Scheibe eine klare Richtung hatten. Der Aufwand hat sich gelohnt. Vinnie hat auch sehr viel mit unserem Freund Lars Fredrickson von Rancid bzw. Old Firm Casuals zusammen gearbeitet, was man der Scheibe auch anhört. Ich habe eindeutig ein besseres Gefühl als bei „New York Blood“. Ich habe im Gefühl, das wir eine großartige Platte aufgenommen haben, sowohl Textlich als auch Musikalisch. Wir sind wirklich stolz auf das Teil und können es gar nicht abwarten, die neuen Sachen live zu spielen. Für mich ist es eine super Mischung aus Punk, Hardcore, OI und Streetcore.
Marcel:
“New York Blood” wurde 2008 veröffentlicht. Kurz danach ging für AF wieder richtig die Post ab. War das der Grund, warum eure neue Scheibe erst fünf Jahre später erscheint?
Mike:
Wir kümmern uns nur um „Stigma“, wenn wir eine Pause mit AF haben. Wir hatten überhaupt keinen Druck und mussten keine Platte herausbringen.
Als wir merkten das die Zeit richtig ist, nahmen wir sie uns und gaben unser bestes. Die Leute haben wahrscheinlich gar nicht mehr daran geglaubt, das wir überhaupt noch mal etwas herausbringen werden.
Marcel:
AF sind ja eine Band, die ständig auf Tour ist. Wann kannst du am besten Songs schreiben? Daheim oder auf Tour, während der restlichen 23 Stunden Freizeit?
Mike:
Ich mag es generell lieber, Sachen zu Hause zu schreiben. Texte kann ich durchaus auf Tour verfassen, aber die Musik komponiere ich lieber daheim. Und zwar zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht. Frag mich nicht warum das so ist, aber ich denke das ist auch bei jedem anders und unterschiedlich.
Marcel:
Einige Leute haben von Stigma sicher ein Brett der Marke Agnostic Front erwartet. Aber der neue Stuff geht deutlich mehr Richtung Punk. Magst du es einfach neben AF etwas anderes zu spielen, oder zollt ihr den Punk Bands Tribut, mit denen ihr aufgewachsen seid?
Mike:
Beide Punkte die du erwähnt hast treffen zu. Wir lieben Punk Rock. Es sind unsere Wurzeln. Ich hasse Bands, die sich selber Hardcore nennen, aber keinerlei Punk Roots in ihrer Musik haben. Wir kommen alle vom Punk. Klar, Agnostic Front klingen natürlich ein wenig aggressiver, aber du kannst auch dort die Punk Rock Roots erkennen. Es würde ja auch keinen Sinn machen eine neue Band zu gründen, die exakt wie die andere Band klingt in der du spielst. Wir können all unsere Einflüsse bei Stigma einbringen und ausleben. Und das lieben wir an dieser Truppe einfach. Es gibt kein Limit.
Marcel:
Lass uns ein wenig über die Texte sprechen Mike. Wer ist der einfache Mann. Also der “Average man” ?
Mike:
Du und ich sind der einfache Man. Die Basis ist doch die: Wir sind alle Menschen und machen Fehler. Und das ist auch völlig ok. Wir können einfach nicht perfekt sein. Du kannst aus ihnen lernen, und somit die scheinbar schwierigsten Hürden nehmen, die das Leben dir in den Weg legt. Was aber auch kommt; gib niemals auf und versuche immer, dein bestes zu geben. Mit Stolz und Ehre.
Marcel:
In dem Song “I Am” ,habe ich Schleichwerbung für einen bekannten Tattoo Store in NY gefunden……
Mike:
Haha, ein wenig Promotion in eigener Sache geht doch völlig in Ordnung. Wir möchten einfach, das jeder den NYHC Tattoo Shop kennt. Er ist ein Merkmal der Szene. Und so halten wir ihn am leben.
Marcel:
In „Heroes Of Our Time“, zollt ihr dem einfachen Arbeiter Tribut. Der hart arbeitenden Bevölkerung wie z. b. Soldaten oder Feuerwehr Männern. Denkst du das die Arbeit von diesen Menschen völlig unterbewertet wird, und deutlich mehr Aufmerksamkeit braucht?
Mike:
In diesem Song geht es darum, das viele Menschen sich die falschen zum Vorbild nehmen. Sie verehren Musiker oder Hollywood Sternchen. Das ist im Grunde natürlich ok, aber es geht um all die Leute, die ihr Leben lang hart arbeiten, für andere den Kopf hinhalten und sogar ihr eigenes Leben riskieren. Das richtige im Leben tun, aber niemals eine Form von Anerkennung dafür erhalten. Der Song geht an alle, die es verdient haben, und das muss nicht nur die „Working Class“ sein.
Marcel:
Die meisten von uns erinnern sich gerne an ihre Kindheit oder Jugend zurück. Man entdeckt viel in dieser Zeit. Erlebt Abenteuer und ist unsterblich. Um diese Erinnerungen geht es bei “Days Of Gold”.
Mike:
Genau darum geht es. Wir genießen diese Erinnerungen und Momente. Der Song bringt uns in die Zeit zurück, wo Vinnie und Roger (AF Sänger-Anm.der Verf.) einfach Kids waren und Spaß daran hatten Shows zu spielen und in der Szene aktiv zu sein.
Sie erzählen mir immer wieder, das sie niemals daran geglaubt hätten soweit zu kommen.
Vinnie sagt das dies die „Gute alte Zeit“ war, die er niemals vergessen wird. Wie z.b. als er im CBGB von der Bühne gesprungen ist, und sich seinen Kopf an einem Verstärker aufgeschlagen hat. Das tat zwar weh, hat aber Spaß gemacht haha. Es hat auch unglaublich viel Spaß gemacht, sich gegenseitig die Köpfe mit Glas Scherben zu rasieren. Einfach Scheiße bauen. Wie könnte man solche Sachen je vergessen? Es war einfach unglaublich in NY aufzuwachsen. Und es ist immer noch großartig dort zu leben.
Marcel:
Du erwähnst es ja bereits. Ihr lebt alle in New York. Was hat sich dort seit 9-11 verändert?
Mike:
Es fühlt sich an, als hätte sich alles dort verändert. So viele Clubs haben dicht gemacht. Das macht es natürlich für die Szene schwer. Ich fühle das die Mittel Schicht nach und nach rausgedrückt wird. So ist das Leben in NY doch härter geworden. Aber nichts desto trotz ist es mein zu Hause und ich liebe es hier zu leben.
Marcel:
“Unity” war ja stets ein wichtiger Begriff im Hardcore. Gehst du eigentlich immer noch auf Shows oder verfolgst was andere Bands so machen? Hörst du auch gerne neuen Kram oder legst du lieber die Klassiker auf? Wie groß ist die „Unity“ heut zu Tage überhaupt noch?
Mike:
„Unity“ wird in der Szene immer noch groß geschrieben. Und ich denke das wird auch immer so sein. Es ist quasi die große Überschrift, die über unserer Musik steht. Es ist aber auch gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Es finden so viele Konzerte statt wenn wir zu Hause sind. Und wir versuchen wirklich, so viele wie möglich davon zu besuchen. Davon ab haben wir auch Leute wie Joe von Black Blue Production oder Buske und Lauren von I Scream Records, welche jede Dienstag Nacht eine Radio Show am Start haben.(www.eastvillageradio.com). Sie machen das alles gratis. Es kommt definitiv aus ihren Herzen und sie versuchen so, die Szene lebendig zu halten. Sie veranstalten auch einmal im Jahr den „Hardcore Super Bowl“. Sie setzten jedes Jahr neue und noch unbekannte Bands auf das Line Up. Solche Leute sind es dann auch, die den Hardcore Spirit und die „Unity“ am leben erhalten. Und so viele mehr.
Marcel:
Vor ein paar Wochen haben wir uns ja in Tilburg auf der Persistance Tour getroffen, wo ihr mit Hatebreed und H2O zusammen auf Tour wart. Wie ist es, nach all den Jahren immer noch zusammen auf Tour zu gehen?
Mike:
Es ist einfach klasse. Vor allem mit Jamey, der ja ,wie bereits erwähnt, die Sache ins Leben gerufen hat. Ohne ihn wäre vieles anders. Ich danke Gott dafür, Freunde wie ihn zu haben. Denn er hat verdammt viel für AF und Stigma getan.
Lars und Phil haben uns ja auch sehr unterstützt, was die Produktion dieses Albums betrifft. Und das liebe ich auch an dieser Szene. Man arbeitet mit Leuten zusammen, die deine Freunde werden. Das alles könnte ich ohne sie nicht tun. Ich bete wirklich jeden Tag für meine Freunde und natürlich auch für meine Familie.
Marcel:
Du hast “For Love And Glory” ja Co-produziert. Nimmst du auch andere Bands auf, und ist die Produzenten Sache etwas was du dir in Zukunft vorstellen kannst, wenn es AF eines Tages nicht mehr geben wird?
Mike:
Ja, ich produziere auch andere Bands. Ich habe gerade erst mit einer Band Namens „LIVE FAST DIE FAST“ aufgenommen. Alte Freunde von mir. Richtig geiler Old School Stuff. Du solltest sie dir mal anhören. Davon ab habe ich auch mit den Punks von „DEAD TRICKS“ an ihrer EP gearbeitet. Sie kommen von der „Lower East Side“. Das alles mache ich, weil ich Musik schlicht und einfach liebe. Glaube mir, ich verdiene damit kein Geld. Und ich werde das niemals aufgeben.
Wenn das kein schönes Wort zum Abschluss ist….
New York Blood“, das Debüt vom „Goodfather“ des NY Hardcore, Vinnie Stigma, erschien bereits 2008.Danach ging die Post wieder ab für Agnostic Front. Wohl auch ein Grund dafür, das der Nachfolger erst fünf Jahre später erscheint. Doch gut Ding will gut Weile haben. Wer hier jetzt aber einen Sound a la AF erwartet, der wird vielleicht ein wenig enttäuscht werden. AF covern ja bekanntlich auch „Blitzkrieg Bop“. Und da knüpft „For Love & Glory“ an. Die Band um Stigma und Gallo zollt ihren Punk Rock Roots Tribut. Klar, ganz so fröhlich und „Gabba Gabba Hey“ geht es hier natürlich auch nicht zu. Aber Songs wie „I Am“ oder das geile „Days Of Gold“ laden eher zum mitsingen als zum mitgröhlen ein. Die Hardcore Fraktion wird natürlich auch bedient, wie z.b. bei „Average Man“, aber all in all bleiben die Songs doch sehr simpel und melodiös gehalten, was den Reiz dieser Platte ausmacht. Denn dadurch gehen sie direkt ins Ohr. Ein großer Pluspunkt sind auch die Lyrics. Egal ob der einfache Man beschrieben wird, oder man mehr Respekt für die hart arbeitenden Menschen verlangt. Man weiß das die Jungs, speziell Stigma, hinter jedem Text eine Geschichte haben oder eben mit jeder Pore dahinter stehen. Einfach kaufen, aufdrehen und ne` gute Zeit haben. Nicht nur für Hardcore Fans geeignet. Note: 2 Marcel