Interview mit ZONI / LOST BOYZ ARMY

Bevor hier wieder Stimmen laut werden, das dies ein Interview „gegen“ VJ ist, möchte Ich hier ganz klar festhalten, das ich persönlich nichts gegen VJ habe.
Aber das in einem Interview mit dem „Peter / Zoni“ das Thema „Trennung Peter VS Verlorene Jungs“ behandelt werden muss, halte ich für Legitim und es dürfte selbstverständlich bestimmt auch viele andere Leute interessieren, denn ich habe dieses Interview ja nicht geführt, um mein Ego zu befriedigen.
Das Interview führten wir per Elektronischer Post im Oktober 2008.
Frank Herbst (www.crazyunited.de)

Hallo Peter!
99% der Leute die dich kennen, werden dich nur mit „Verlorene Jungs“ in Verbindung bringen, was ich ein bisschen Schade finde, denn schließlich war ja auch was „vor“ VJ und deshalb möchte Ich Dich bitten mal kurz zu erläutern, was für Aktivitäten du bisher für „unsere“ Szene geleistet hast.

Och na ja, was heißt schon geleistet? Geleistet klingt ja immer so nach hochgekrempelten Ärmeln und Verdienstorden. Eigentlich hab ich ja nicht wirklich was geleistet. Bin halt nur schon n paar Tage dabei und da macht man so das ein oder andere, kennst du doch. Gibt wenige die sich über 10, 15, oder sogar  20 Jahre in der Szene bewegen ohne irgendwann mal in irgendeiner Form aktiv gewesen zu sein. Mit oder ohne Erfolg, je nach dem. Ich hatte es mal mit nem kleinen Shirt und Plattenversand versucht. Mr. Nobody hieß das damals. War mit Spiller zusammen. Ist aber sicher schon weit über 15 Jahre her. Später bin ich dann in Willi Wuchers Scumfuck Imperium eingestiegen. Hab da bis ca ’98 am Zine mitgearbeitet und Label und Laden mit aufgebaut. Ansonsten gab es ab 96 eigentlich nur VJ und die Lost Boiz Army, mit dem Strategen natürlich.

Wie bist du damals das erste Mal mit dem Punk / Skinhead Virus in Berührung gekommen? Wie ja die meisten wissen bist du in der ehemaligen DDR aufgewachsen und da wurde ja bestimmt ein Punker / Skinhead Outfit nicht so angesehen, wie im damaligen Westen! Wie gingen deine Eltern und der Staat damit um?

Ich glaub die ersten Punks bei uns hab ich noch während meiner Schulzeit gesehen. Das muss so 1980/81 gewesen sein. Das waren eigentlich nur ziemlich runtergekommene Asis, aber ich fand die schon damals irgendwie ziemlich cool. Bis ich jedoch selber dazu stieß, vergingen dann aber noch n paar Jahre und es brauchte einige Begegnungen mehr, als diese ersten. Selber Skin/Punk wurde ich erst ca 84/85. Ich nenne es bewusst Skin/Punk, denn zu dieser Zeit gab es die krassen Unterscheidungen bei uns noch nicht und fast jeder wechselte nach Lust und Laune zwischen Glatze und Iro hin und her. Auch ich. Du warst einfach nur Teil einer gemeinsamen Szene, egal ob Skinhead, Punker, oder sonst was fürn Vogel. Staatliche Repressalien waren uns allen gleichermaßen sicher. Eine Szene die sich außerhalb der staatlichen Kontrolle entwickelt, war natürlich nicht gern gesehen und so hatte das System ne ganze Reihe von Drangsalierungen der nervigen, aber auch schmerzhaften Art parat. Bullenstress, Stasiverhöre und dergleichen mehr. Kann man sich heute alles gar nicht mehr vorstellen. Aber das hielt damals den Kreis der Leute klein und auf irgendeine Art war es deshalb was besonderes, dazu zu gehören. Man brauchte n dickes Fell. War aber trotzdem ne schöne Zeit, heute zurückblickend und insgesamt. Meine Eltern waren natürlich total schockiert, logisch.

Wurdest du damals von der Stasi verhaftet und / oder bespitzelt?
Falls ja, was warf man dir vor?
Hast du dir später mal einen Einblick in deine Akten verschafft?

Verhaftet oft, bespitzelt bestimmt. Aber das war nichts Unübliches im Osten. Von den Bullen kontrolliert und wegen nichtiger Vergehen verhaftet wurdest du alle Nase lang. Verhaftungen, prophylaktische Vernehmungen, Stadtverbote, das gehörte alles dazu und war, wenn man so will, irgendwie Normalität und galt nicht nur für Skins und Punks, sondern für alle, die irgendwie nicht ins Bild passten. Stasi war dann die nächste Stufe. Auch Vernehmungen und so. Teilweise von der ganz fiesen Sorte. Von Mielke gab’s ja sogar den konkreten Befehl nicht zimperlich mit uns umzugehen, wie man heute weiß. In aller Regel wurden dir völlig harmlose Sachen vorgeworfen, die ganz offensichtlich nur als Vorwand dienten. Warst du aber einmal in dieses Netz geraten, kamst du praktisch nicht mehr raus. Die meisten endeten irgendwann im Knast. Ich dann ja leider auch.Akteneinsicht wollte ich immer mal nehmen, hab’s dann aber doch nie getan. Irgendwann mach ich das aber bestimmt mal.

Hattest du damals Gedanken gehegt aus diesen Gründen dein Outfit Richtung „Normalität“ zu ändern oder war dir schon damals klar, dass es nur diesen Weg für dich geben wird?

Nee, eigentlich hat jeder Palaver immer nur meinen Trotz geschürt. Der ganze Osten hatte damals im Allgemeinen ja dem System gegenüber ne gewisse „Antihaltung“ und gerade wenn dir durch die staatlichen Organe „nahe gelegt“ wurde, dich oder zumindest dein Outfit zu verändern, ging das natürlich überhaupt nicht. Also zumindest bei mir absolut gar nicht. Viel zu stolz. Gerade wenn es Druck gab. Hat aber auch ne Menge Leute gegeben, die das nicht ausgehalten haben und deshalb abgesprungen sind. Da konnte man dann immer sehr günstig an begehrte und sonst praktisch nicht zu kriegende Klamotten, wie Bomberjacken, Boots etc, kommen. Für die Szene hattest du dann aber auch völlig abgelost, klar. Da konnteste dich natürlich nirgends mehr sehen lassen. So trennte sich immer sehr fix die Spreu vom Weizen und wenn du also, egal wo und in welcher Stadt, irgendwo ne Glatze oder n Punk getroffen hast, war das 100%ig kein Weichei. Das hat vieles im Umgang miteinander erleichtert. Wenn auch zu einem hohen Preis. Sicher. Aber es hat die Verbliebenen auf ne besondere Weise zusammengeschweißt. Jeder wusste Bescheid, jeder machte dasselbe durch. Wir waren irgendwo so ne Art Widerstandsbewegung. So was wie damals, hab ich später nie wieder gefunden. Vom Gefühl her.

Hattest du eigentlich schon zu Ost Zeiten deine Stimme einer Band geliehen bzw. war es schon damals ein Wunsch von Dir deine Gefühle in Form von Gesang anderen Leuten mitzuteilen?

Nö überhaupt gar nicht. Gar kein Gedanke. Das Musikmachen war so weit weg wie nur irgendwas.

Mit wie viel Jahren bist du denn dann in den Westen gekommen?
War das zum Zeitpunkt des Mauerfalls oder zu einem anderen Zeitpunkt?

Mit Anfang zwanzig. Das war Ende 89. Da gab’s die Mauer zwar noch, aber die Grenze war schon offen. Ich war Anfang Oktober 89 völlig fertig, desillusioniert und enttäuscht von Land und Leuten aus der Haft entlassen worden. Am 09. November ging die Grenze auf, Mitte November war ich weg. Über Braunschweig, Hannover, Unna Massen, von einem Lager ins andere. War ja die Hölle los damals, da haben Hunderttausende das Land verlassen. Alles war total überfüllt und die Mauerfall Euphorie kippte gerade n bisschen, weil dem Westen klar wurde, dass das n teurer Spaß werden konnte… Geendet ist die Odyssee dann in Wesel, Katastrophenschutz Schule, wo ich erst mal n paar Tage verbracht hab. Von da aus ging’s für n paar Wochen in ne Notunterkunft, auch in Wesel, Zitadelle. Nur Asitypen da. 8 Leute auf einem Zimmer. Alle Tag und Nacht besoffen. Ewig Diebstähle und Schlägereien, Messerstechereien. Zum Glück hatte ich als gelernter Maurer schnell Arbeit gefunden und konnte mir ne Wohnung suchen. So war der Spuk ungefähr im März 90 für mich vorbei. Da bin ich nach Friedrichsfeld gezogen. An den Arsch der Welt sozusagen, ziemlich nahe am Loch. 30qm antiquarisch möbliertes Appartement, 500 DM warm, zur Witwe Wiedemann. So fing alles an.

Und was war mit deinen Eltern? Sind die im „Osten“ geblieben?
Hast du heute noch Kontakt mit Ihnen?

Also ich war von unserer Familie der einzige, der den Schritt gewagt hat. Meine Eltern sind inzwischen leider schon viele Jahre tot. Ich hab noch zwei ältere Brüder und ne Schwester, zu denen es heute nur noch losen Kontakt gibt. Man ruft sich halt zu Geburtstagen an und so, besucht sich alle paar Jahre mal. Meine Schwester war später ab und zu auf VJ Konzerten. Sie und ihre ganze Familie waren große Fans unserer Musik.

Da du ja schon die VERLORENEN JUNGS ansprichst, können wir ja einen kleinen Sprung machen und direkt zu dieser Band kommen oder hast du vor VJ noch in anderen Bands gespielt?

Hab mich schon die ganze Zeit gefragt wie du diese Kurve kriegen wirst… nee, vor VJ war ich bandtechnisch Jungfrau.

Dann erzähle uns doch mal, wie du zu VJ gestoßen bist und wer da anfangs mitmusiziert hat, denn die letzte Besetzung war ja nicht die Original Besetzung!

Das war irgendwann im Sommer 95 oder so glaub ich. Damals waren die Brüder Torsten und Stefan dabei und n Trommler, der Mike hieß. Ich glaub Torsten sprach mich auf ner Party an, ob ich nicht Bock hätte in der Band mit zu machen. Der letzte Sänger (Arndt?) war aus beruflichen Gründen ausgestiegen und keiner wusste genau, wies weitergehen sollte. Zu der Zeit gab es aber noch keinen richtigen Bandnamen und auch noch kein einziges wirkliches Lied. Ich glaub wir nannten uns abwechselnd mal Always Ultra, mal Warboots und auch mal Verlorene Jungs. Im Grunde hingen wir aber nur ab und zu im Proberaumbunker in Duisburg rum, um uns zu betrinken, n bisschen undefinierten Krach zu machen, und um – in 9 von 10 Fällen, auf Mike zu warten, der uns immer wieder hängen ließ. Davon hatte ich irgendwann die Schnauze gestrichen voll und so stellte ich die Kollegen vor die Wahl, entweder nen anderen, wirklich ambitionierten Trommler zu suchen, oder weiter auf Mike zu warten. Dann aber ohne mich. Die anderen stimmten zu und so suchte und fand ich schon kurze Zeit darauf in Bernd, dem Sänger und Gitarristen der RABAUKEN, haargenau den Schlagzeuger, der in unser Raster passte. So fing mit Bernd eigentlich alles erst an. Der kannte sich aus, der wusste worauf es ankam. Bernd hatte jede Menge Live und Studioerfahrung und darüber hinaus mehr Musik im kleinen Finger, als wir drei grünen Jungs im ganzen Körper. Bernd konnte dir an jedem Instrument zeigen was er meinte, wenn die Worte fehlten und vorsingen, wenn du nicht die richtige Linie finden konntest. Das war genau unser Mann. Ja, mit Bernd fing eigentlich erst alles an. Das war so Ende 95 ungefähr. Da hatten wir die ersten eigenen Lieder und dann stand auch der Bandname fest. Hm. Verlorene Jungs. Fand den Namen eigentlich immer doof. Mein Favorit war Warboots gewesen.

Bernd spielte ja damals in der nicht gerade unumstrittenden Combo „Rabauken“.
Ward ihr damals so blauäugig und habt es nicht sehen kommen, das viele Leute Euch deshalb anpissen würden oder war Euch das bewusst und ihr habt darauf geschissen?

Also dass die Anpisserei später so derbe Formen annehmen würde, war uns sicher nicht bewusst. Ich glaub aber auch nicht, dass es irgendwas verändert hätte, wenn wir das vorausgeahnt hätten. Bernd war für uns ein Held. Der Frontmann einer der besten deutschen Oi Bands. Bei uns am Schlagzeug. Das war für uns der Hammer. Ich glaub auch, dass es in 96 noch gar nicht so viele Angriffe auf die RABAUKEN gab, oder? Begann das nicht alles erst ein paar Jahre später, mit dem Rechtsruck von DIM Records? Weiß jetzt gar nicht genau.
Ich persönlich kann mich aber auch noch sehr gut an Zeiten erinnern, in denen die RABAUKEN den Leuten nicht politisch genug waren. Da führten noch STÖRKRAFT, NOIE WERTE etc die Hitlisten an. So was gab es ja auch. Aber egal, selbst wenn. Die Rabauken sind und waren in ihren Liedern so unpolitisch wie wohl kaum ne andere deutsche Band. Wir hatten uns ein eigenes Bild gemacht. Ich selber kannte Bernd da schon n paar Jahre, mir hätte da eh keiner was erzählen können. Wir haben später ne Menge Diskussionen zu diesem Thema geführt. Aber meine persönliche Meinung dazu hat sich nie geändert und ich denke, dass ich auch mit dem Wissen von heute, alles noch mal genauso machen würde. Ohne Bernd wäre aus der Band nie was geworden. Erst durch ihn bekamen die Songs so was wie ne Struktur und erst mit Bernd fing das regelmäßige proben an, richtig Spaß zu machen. Ich glaub das war damals die beste Zeit der Band.

Und warum verließ Bernd dann Jahre später die Band? Da wurde ja auch nie wirklich Tacheles geredet oder habe ich damals das nicht richtig mitbekommen?

Nee das ist schon richtig, wir haben damals und auch später nie wirklich Klartext darüber nach außen dringen lassen, zumindest soweit ich weiß. Ich denke aber auch, dass das im Sinne aller Beteiligten war und ist und möchte deshalb auch hier nicht näher darauf eingehen und mich lieber geschlossen halten. Denn eigentlich geht’s keinen was an. Wichtig ist aber ganz bestimmt, seinerzeit wie heute, dass die Trennung eine lange Vorgeschichte hatte und es am Ende Bernds eigene Entscheidung war, die Band zu verlassen. Zu ihrer Zeit vermutlich die einzig richtige. Aus heutiger Sicht allerdings leider ganz bestimmt ein Fehler, den ich später sehr bereut hab. Wir haben gut 10 Jahre lang zusammen Musik gemacht und hatten ne verdammt gute Zeit zusammen. Das hätte man nicht einfach so über Bord werfen dürfen. Wie gesagt war Bernd ganz bestimmt der wichtigste Einfluss den VJ hatten und ohne ihn hätte es die Band so nie gegeben. Das hätten wir bedenken müssen und anders würdigen sollen.

Aber die Trennung wurde nicht aus „Politischen“ Gründe vollzogen?
Hast Du heute noch Kontakt zu ihm?

Nee Quatsch. Wenn uns Bernd schon im Vorfeld in irgendeiner Form nicht „koscher“ erschienen wäre, hätte er nie seinen Platz bei uns gefunden. Wie gesagt, ich kannte ihn vor VJ schon ne ganze Weile und würde mich auch heute jederzeit verbürgen. Wir waren bestimmt nicht immer in allem einer Meinung, aber wenn er der Bösewicht wäre, den viele in ihm sehen (wollen), wären wir sicher keine Freunde geworden. Der Kontakt ist seit damals leider etwas mehr als nur eingeschlafen. Ich hab ihn zwar immer mal mit n paar Sachen bedacht, wenn was neues von uns raus kam und seine Meinung war mir immer wichtig, aber darüber hinaus gab es nur wenig bis gar keinen Kontakt.

Wer kam dann als Schlagzeuger zu den VJ und woher kannte ihr Ihn?

Zunächst haben wir das mit Schwefel abgefangen. Der ist von der Gitarre zum Schlagzeug gewechselt und wir konnten so alle vereinbarten Termine für Konzerte einhalten. Danach haben wir angefangen zu suchen, hauptsächlich via Internet. Ne Zeitlang hat Schwefel auch überlegt, ob er Trommler bleibt und wir ne zweite Gitarre verpflichten oder so, bis wir bei nem Gig in Alsfeld (bei Aachen) völlig zufällig Basti kennen gelernt haben, der dann ne Weile bei uns war. Basti, der Red Dirty Evil Devil von uns genannt werden wollte, war aber als hyperaktiver Selbstdarsteller leider doch und absolut gar nicht so der Volltreffer, wie wir ziemlich schnell feststellen mussten. Am Schlagzeug war er wirklich nicht schlecht, aber menschlich hat das absolut nicht in die Band gepasst. Nach ein paar Monaten und wenigen gemeinsamen Gigs haben wir deshalb lieber auf ne gemeinsame Zukunft verzichtet und weitergesucht. Es haben sich dann wieder viele vorgestellt, die leider nicht in Frage kamen, bis wir Dom gefunden hatten. Der Kontakt kam über www.Musiker-in-deiner-Stadt.de zustande. Ideal für Leute die Bands suchen und umgekehrt. Kann man sehr empfehlen. Dom ist musikalisch ne totale Granate, wohnte in der Nähe und passte auch als Persönlichkeit super in die Band. Wir waren sehr froh ihn gefunden zu haben. Im Januar 2006 haben wir zum ersten Mal mit ihm auf der Bühne gestanden. Das war in Holland.

In der kompletten VJ Geschichte mir Dir als Sänger wurden 5 ½ Alben, sowie einige Samplerbeiträge eingespielt, was ja eine Stolze Leistung ist.
Vergleiche doch mal „Einer Von Uns“ mit der „…Für Ein Stück Leben“.
Ich übertreibe jetzt mal bewusst und werfe in den Raum, dass das erste Album noch ein richtiges Skinhead Album und das letzte schon fast ein „Emo“ Album war, was mit Skinhead(s) nicht mehr wirklich viel am Kopf gehabt hat. Du kannst mich natürlich gerne Korrigieren!

Na ja, eigentlich waren es 6 Alben und die Mini mit SOKO DURST (Anmerkung Frank: Sicher waren es 6 Alben plus der Split. Ich Idiot kann anscheinend nicht bis 6 zählen*LOL*).
Aber du hast natürlich Recht, diese beiden Platten trennen ganz bestimmt Welten. „Einer von uns“ war für meine Begriffe ein typisches Debüt. „Für ein Stück Leben“ dagegen das Album einer „gereiften“ Band. Aber es wäre auch schlimm wenn das nicht so wäre, denn es liegen ja fast 12 Jahre dazwischen. Und, wie schon erwähnt, war zum Zeitpunkt der ersten Platte Bernd unser wichtigster musikalischer Regisseur, bei der letzten war das Schwefel. Zwei völlig verschiedene Typen, mit unterschiedlichen musikalischen Neigungen und Vorlieben. Bernd ist eher der klassische Oi und Punkrock Hörer, der Peter & the Test Tube Babies, Stiff Little Fingers und z.B. Toy Dolls verehrt. Schwefel hingegen ist experimentierfreudig wie sonst was und mag breit gefächert alles, von Nirvana, über Sportfreunde Stiller bis Cure. Er ist vor allem aber „modern“ beeinflusst. Das spürt man natürlich bei jedem Song des letzten Albums.
Von den Texten her gibt es aber kaum Unterschiede finde ich. Oder doch? Die waren doch immer schon n bisschen „Emo“? Auch als das als Musikstil noch nicht so populär war. Keine Ahnung. Ich könnte mir die Texte der letzten Platte irgendwie auch auf der ersten vorstellen und umgekehrt natürlich, wenn man von einigen Feinheiten und den ganz brutal typischen Skinhead Sachen wie „Back to the roots“ oder ähnlichem mal absieht. Ich meinte ohnehin immer, dass die Texte der „rote Faden“ und irgendwie auch das Herzstück sämtlicher Platten waren. Deshalb fand ich die musikalischen Veränderungen über die Jahre auch gar nicht so erheblich.
Aber auch das „machen“ hat sich im Laufe der Zeit verändert. Musikalisch geht das letzte Album bestimmt zu gut 90% auf Schwefel zurück. Er hat nahezu sämtliche Songs im Grunde instrumental komplett fertig mit in den Proberaum gebracht. Ich hatte die zum betexten n paar Tage vorher als mp3 und wir haben dann bei den Proben nur noch an den Konturen gefeilt. Das einzige „typische Proberaumlied“, der letzten Platte, ist wahrscheinlich „0:52“…
Bei „Einer von uns“ ist viel mehr spontan im Proberaum und mit der Hilfe aller entstanden. Irgendeiner hat ne Idee mitgebracht und an der wurde dann gemeinsam gearbeitet, bis jeder einzelne Song fertig war. Bernd stand da zwar bei jedem Lied Pate und brachte sich ein wenn’s nötig wurde, hielt sich aber auch zurück, wenn’s aus seiner Sicht nix zu meckern gab. Diese Spontaneität gab es später zwar nicht mehr, aber ich fand auch nicht unbedingt, dass das den Liedern insgesamt geschadet hat. Schwefel ist die Kreativität selbst und ganz bestimmt ein absolut hervorragender Musiker. Außerdem – und das ist gerade bei der letzten Produktion superwichtig, hat bei den letzten Alben auch Sven aus der Klangfabrique gehörig an den Songs geschraubt, was Effekte und Arrangements angeht. Er hat die Platten viel mehr als nur aufgenommen und gemischt. Seinen Ideen verdanken die meisten Songs den letzten Schliff und manchmal auch noch viel mehr als das.
Diese beiden Platten krass gegeneinander verglichen klingen natürlich super unterschiedlich, aber eingereiht in die Entwicklung der Band mit ihren verschiedenen Ideengebern und über sechs Alben in 12 Jahren verteilt, relativiert sich die Geschichte. Findest du nicht?
Da magst du absolut Recht haben, nur wurden ja schon bei den letzten Alben von VJ Stimmen laut, dass das nicht mehr die VJ wären, die man einst kannte, was natürlich eurerseits damit begründet wurde, das die Band sich weiterentwickelt und man keine Lust hätte immer gleich zu klingen.

Warst Du persönlich immer mit der „Musikalischen Weiterentwicklung“ zufrieden? Ich persönlich konnte Musikalisch gar nichts mit mehr mit VJ anfangen, obwohl die Texte immer noch erste Sahne waren / sind, aber bei mir muss beides miteinander harmonieren, um mich überzeugen zu können.

Also ich fand Texte und Musik haben immer prima harmoniert. Zu allen Zeiten der Band. Ja klar, die Musik hat sich ständig verändert und im Laufe der Jahre eben durch die Einflussnahme der verschiedenen Musiker ihre unterschiedlichen Prägungen erhalten. Zunächst, bei unseren ersten beiden Platten, die dir vermutlich am meisten zusagen, durch Bernd, der die Musik nach seinen Vorlieben formte. Klassischer Oi! mit einem kräftigen Schuss Streetpunk würde ich das mal nennen. Später, bei „Engel oder Teufel“, der dritten Platte, war Stefan langsam an der Gitarre „flügge“ geworden und hat den Liedern, seinen Faves entsprechend, den Stempel aufgedrückt. Das ging dann schon ziemlich in Richtung Onkelz, wurde also auf jeden Fall rockiger und war bestimmt in sich das „ruhigste“ Album, vom Tempo her. Danach kam irgendwann Schwefel zu uns und mit der vierten Platte, „Ungeliebt“, wurde sein Einfluss langsam wirksam. Bei dieser Produktion aber eher noch „verhalten“. Man hört sowohl typische Songs in Stefans Stil und auch Bernd blickt hier und da durch, aber es gibt auch schon deutliche Anzeichen, was Schwefel betrifft. Der, und das kommt noch dazu, zu dieser Zeit ein eingeschworener Glatzkopp war.
Bei den beiden folgenden Alben setzte sich Schwefel konsequent durch und ich denke auch man hört, dass er sich immer mehr von der Skinszene entfernte. Vielleicht bei „Ich hoffe…“ noch unbewusst. Ein weiterer nicht unwesentlicher Aspekt ist aber natürlich auch der Wechsel mit „Ich hoffe es tut weh“ zu Sven Neumann in die Klangfabrique. Die Mini mit im Grunde nur zwei eigenen Songs deutet dann aber schon recht deutlich an, in welche Richtung es weiter geht und beim letzten Album kommt dann noch Dom am Schlagzeug dazu, der der ganzen Rhythmusgeschichte ein völlig neues Gesicht gegeben hat. Schwefel wollte und konnte da im Übrigen auch schon nichts mehr mit Oi! und Streetpunk anfangen. Wie, ich glaub außer mir, in der Band inzwischen keiner mehr.
Wer da noch erwartet, dass die Band wie vor 10 Jahren klingt, erwartet, dass sie sich selbst covert. Insofern waren die Veränderungen für mich immer ok. Gab ja auch nicht wenige, die uns ständig vorwarfen wir würden uns nicht weiterentwickeln und seit Jahren auf der Stelle treten. Zumindest bis zur vorletzten Produktion.
Und zufrieden? Was heißt schon zufrieden? Es waren immer Klasse Platten und ich war und bin von jeder einzelnen überzeugt. Irgendwie ist es doch immer VJ geblieben. Vielleicht am Ende nur durch Stimme und Texte? Kann sein. Gestört hat mich das nicht. Das einzige, was mich am Ende richtig gestört hat, war das langsame abreißen von der Basis. Das wegentwickeln von den Roots sozusagen. Das Skinpublikum lief uns langsam aber sicher weg. Das fand ich wirklich schade und ich hätte gerne dagegen gewirkt. Indem wir mehr alte Songs live gespielt hätten zum Beispiel. Indem es auch mal wieder n paar richtige Knaller gegeben hätte, mit fetten Chören, Ohohos und allem was eben dazugehört. Aber das war mit den Kollegen leider nicht mehr zu machen. Damit war ich auf jeden Fall unzufrieden. Klar. Richtig unzufrieden, das stimmt schon.

Mit dem letzten Absatz deiner Antwort hast du deine Unzufriedenheit geäußert, die ja dann wohl letztendlich darin gipfelte, das du die Band verlassen hast.
In einem Interview las ich, das du schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken gespielt hattest.
Gab es da absolut keine Gemeinsamkeit mehr unter der VJ Crew?
Schließlich hast du ja die Band großgezogen und seine Kinder lässt man ja eigentlich nicht im Stich. War nur die nicht mehr vorhandene Basis seitens der anderen Bandmitglieder der einzige Grund, dass du der Band Lebewohl sagtest, oder gab es da noch andere schwerwiegende Gründe?

Es gab eine Fülle von Gründen. Am Ende zu viele, um darüber hinwegsehen zu können, oder sie zu übergehen, ohne sich dabei zu verbiegen. Es ging einfach nicht mehr. Es gab keine gemeinsame Basis mehr, ich hatte das Gefühl, dass es insgesamt gesehen überhaupt gar keine Gemeinsamkeiten mehr gab. Ich denke man kann im besten Sinne sagen, ich war mit der Gesamtsituation unzufrieden, sogar noch mehr als das. Und ich denke im Übrigen, dass meine (Ex) Kollegen genauso wenig zufrieden waren, mit einem ewig moralisierenden alten Griesgram in ihrer Mitte. Ums aber wirklich zu erklären, muss ich leider etwas weiter ausholen, also nimm dir mal den Rest des Tages frei…:
Also ich hab mich, im Grunde von den ersten Tagen an, immer um alles rund um die Band gekümmert. Oder wie meine Kollegen später meinten, ich hab immer alles an mich gerissen. Kann sein, wie auch immer, nichts war mir gut genug und deshalb hab ich von Beginn an alles lieber selber gemacht, wenn ich gesehen habe, dass irgendwas nicht richtig lief. Oder sagen wir besser, wenn irgendwas nicht so lief wie ich es mir vorgestellt hatte… Nahezu alles was Konzerte, Plattendeals, Studiotermine, Interviews etc anging, selbstverständlich die Homepage und natürlich auch fast sämtliche Layouts für Plattencover, CD Booklets, Flyer, Shirts, Logos – eben einfach alles. Später auch Merch und den kompletten GbR Rechnungs- und Steuerkram, als wir das Gefühl hatten, dass Stefan damit überfordert ist. Selbstverständlich gab es natürlich auch n paar der berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Aber das waren in 8 von 10 Fällen leider nur Strohfeuer der Kollegen, kurze Aktion und wieder weg. Im Grunde war ich immer und kontinuierlich mit allem allein, das wird dir jeder bestätigen, der irgendwann mal mit der Band zu tun hatte. Aber das war gar kein Problem! Ich hab das auch wirklich zu allen Zeiten gern gemacht, hab voll Begeisterung knietief in Arbeit gesteckt und mich dabei pudelwohl gefühlt  – und – das war mir immer wichtig – es lief immer im Sinne aller, d.h., ich hab nie irgendwas eingestielt, was nicht von meinen Kollegen abgesegnet worden war, es gab kein Interview oder sonst irgendwas, das die Kollegen vor Veröffentlichung nicht auffem Tisch hatten.
Das war die Situation und auch wenn ich es irgendwie immer sehr schade fand, gab es zu allen Zeiten gute Argumente dafür. Es funktioniert in vielen Bands so. Und es war auch hier ok. Es hat mir ne Menge Freiheiten verschafft. Für die anderen war das ne bequeme Sache und für mich die Möglichkeit, nicht nur durch die Texte das Bild der Band nach meinen Ideen und Vorstellungen zu formen und zu prägen. Denn ich wollte mit der Band was Besonderes schaffen, etwas das mir bei den meisten Bands immer gefehlt hat. Den Brückenschlag zum Publikum nämlich. Das „Wir Gefühl“ zwischen Hörer und Band. Genau wie später auch (ab ca 2000) mit der Lost Boiz Army und ihrem eigenen Zine, die den Schritt noch ein Stück weitergehen sollte. Kurz und gut: Überall wo Verlorene Jungs drauf stand, war Zoni drin.
Aber die Zeiten ändern sich und uns und so kam eins zum anderen. Ich hab inzwischen Familie, 3 Kinder. Arbeite 7 Tage die Woche und wechsle alle zwei Tage die Schicht. Ein Wochenende im Monat frei. Als ich mir dann noch n kleines Häuschen gekauft habe und anfing es nach und nach auszubauen, war der Kollaps absehbar. Obwohl ich trotzdem noch gut 80% meiner freien Tage für die Band verplante, fehlte einfach die Zeit um wie gehabt für alles zu sorgen. Gut, es gab inzwischen zahlreiche Hilfe. Vom Label, von der Booking Agentur, auch von Kumpel und Kollege Moppa, der uns die HP und die Army abgenommen hatte. Schwefel kümmerte sich um alles was Studiosachen betraf und machte den MySpace Auftritt. Also ich hatte schon viel ausgegliedert und abgegeben, mit mal mehr, mal weniger Erfolg. So ist das nicht. Aber das Volumen war auch ungeheuer angestiegen und wenn’s irgendwas zu checken gab, musste man trotzdem nach wie vor jedem hinterherlaufen und rumbetteln. Alles Unangenehme und langwierige blieb sowieso nach wie vor am Zoni hängen. Für Entscheidungen gab’s erst keine Meinung und später Maulerei. Das ging mir tierisch auf den Sack. Es ging ne Menge daneben, weil irgendwas vergessen oder eben nicht dran gedacht wurde, was anderes wichtiger war…  oder es gab laxe Antworten a la „Weshalb soll ich denn der Dumme sein der sich darum kümmert?“ (und zwar im O-Ton). Mit anderen Worten, es entglitt mir. Jeden Tag ein bisschen. Ich hab mich oft im Stich gelassen gefühlt mit all dem Kram, der mir so viel bedeutete, aber für die Kollegen scheinbar nur Nebensache war. Und ich war über die Jahre viel zu erfolgsverwöhnt, um davon nicht runter gezogen zu werden. Das hat natürlich gefrustet wie Sau. So hab ich ne Weile verbissen versucht den Spagat hinzukriegen und bin dabei immer mehr verbittert. Das war schlimm.
Aber noch viel mehr hat mich der stete Werteverfall innerhalb der Band gestört. Denn alles das, was ich mit VJ darstellen wollte und über die Jahre so sorgsam gepflegt und hochgehalten hatte, ging mehr und mehr verloren. Die viel beschworenen Werte und das oben erwähnte „Wir Gefühl“, davon war am Ende irgendwie nicht mehr viel übrig geblieben. Es wurde alles immer flacher, oberflächlicher, aufgesetzter und irgendwie seelenloser. „Groß“ und „größer“ waren inzwischen gern gebrauchte Vokabeln bei den Kollegen geworden. Die Läden waren ihnen zu schäbig, das Publikum nicht mehr gut genug. Es ging darum viele Platten zu verkaufen und dabei cool auszusehen. Alles andere stand hinten an. Das war einfach nicht mehr dieselbe Band. Ich war immer wieder erschrocken, wie wenig Dom z.B., selbst nach 2 Jahren bei VJ, über die Band und ihre Geschichte wusste. Es gibt bis heute alte VJ Songs, die er noch nie gehört hat. Nicht weil’s nicht die Möglichkeit gab, nee – sondern schlicht und einfach aus Desinteresse. Sie sind ihm einfach egal. Nichts gegen Dom persönlich, er ist n sympathischer Typ und n bestimmt begnadeter Musiker, aber er hat sich VJ wie eine Jacke übergezogen. Wenn morgen einer kommt, der ihm in irgendeiner anderen Kapelle mehr bietet, ist er weg. 100 pro. Da ist kein Herz dabei. Null. Ganz ernsthaft.
Anderes Beispiel: In den letzten Radio Interviews zu „für ein Stück Leben“ mit Dom und Schwefel in Dortmund oder auch Hannover konnten die Beiden beinahe jede dritte Frage zur Band und Produktion nicht beantworten. Das hat mich völlig schockiert. Und das ist es, was ich meine. Desinteresse. Desinteresse, bis hin zu Ignoranz. Solange ich gut aussehe, brauch ich nix zu wissen. Alles was Zeit kostet und Arbeit macht sollen die andern tun. Das hab ich der Band ganz konkret so vorgeworfen. Ich möchte das nicht unbedingt weiter vertiefen, könnte aber stehend 100 solcher Details aus der Hüfte schießen, ohne groß überlegen zu müssen. Also es gab schon Gründe, ganz bestimmt. Aber ich will jetzt hier auch keinen weiter anpissen oder so was und auch mich nicht von Fehlern freisprechen. Vielleicht hab ich völlig falsch gelegen. Mag sein, aber das Ding ist gelaufen. Wir hatten auf jeden Fall, in meinen Augen zumindest, unser Ziel komplett verfehlt. Und deshalb hab ich die Auflösung vorgeschlagen. Natürlich hat es mir das Herz zerrissen, aber so durfte es nicht weiter gehen.
Tja, so war das. Und im Grunde doch nur die Spitze des Eisbergs.

Was war denn dein „Ziel“ und von welchen „Werten“ genau redest Du?

Eben, wie gesagt, eine Band zu sein, die ein bisschen mehr ist, als nur einfach irgend ne Band. Das war mein Ziel. Ich wollte so ne Art familiäre Bindung zu den Leuten. Den Schulterschluss zum Publikum. Den Leuten das Gefühl geben, diese Band da, das sind Typen wie ich. Die gehen malochen wie ich, haben die gleichen Alltagssorgen und stehen in ihrem Leben in den gleichen Situationen den gleichen Problemen gegenüber. Ich wollte Wege aus Krisen aufzeigen. Aufrichten, trösten wenn’s mal sein muss. Den Leuten sagen:Du bist nicht alleine, du bist „Einer von uns“, „Du gehörst dazu“, du bist „Genauso wie wir“ – zusammen schaffen wir das, wir sind „Stark genug“. So ungefähr. Es fehlen mir jetzt ein bisschen die Worte, aber ich denke du verstehst was ich meine, wenn du n paar unserer Texte kennst. Viele haben das verstanden, ich denke insgesamt kam es an und rüber. Es gab früher ne Menge Leute die waren bei jedem Konzert. Egal wo. Sind uns überall hinterhergefahren. Mit denen haben wir gefeiert bis in die Nacht und sie mit ins Hotel geschmuggelt, wenn der letzte Zug weg war. Die haben mir geschrieben wenn’s ihnen mal dreckig ging und um Rat und Hilfe gebeten. So Post krieg ich heute noch oft. Wie ne Art großer Bruder, den man fragen kann, wenn’s mal nicht weiter geht.
Oder n anderes Beispiel: Ich hab ne Bekannte in Solingen. Die arbeitet in nem Projekt für gestrauchelte Jungendliche. Ausreißer, Junkies, Bahnhofsstricher. Größtenteils Minderjährige, von unfähigen Eltern ins Leben verstoßen. Die finden da ne vorübergehende Bleibe und wenn’s auch mal nur für ne Nacht ist, oder zwei. Die hat mir erzählt, dass sie ihnen den Song „Heute Nacht“ anmacht, wenn sie von da aus nach Hause geht. Weil sie dann weiß, dass die Kids nicht alleine sind über Nacht. Da fühl ich mich verstanden. Da bin ich stolz drauf, dass es das Lied gibt und hab das Gefühl alles richtig gemacht zu haben.
Musik ist Emotion. Und eben auf diese Art wollte ich Werte vermitteln. Ehrlich sein. Freund sein. Zu sich selber stehn, nich verbiegen lassen, aufrecht gehen, nich reinreden lassen. Hinfallen und wieder aufstehen. Stolz sein auf das was man geschafft hat und wissen, da geht noch mehr. Auch dazu stehen wenn mal was Scheiße war und nicht weglaufen. Nich anpassen. All die Dinge, die für uns den Kult bedeuten. Die ganzen klassischen Sachen. Working Class und stolz darauf. Du kennst das doch selber. Was gefällt uns denn an Oi und Punkrock? Es ist die Ehrlichkeit die dahinter steht. Für mich ist der Kontrast zu all den gestylten und geschniegelten Retorten besonders wichtig. Ich würde mich doch da nie anpassen wollen, nur um ein paar Krümel vom großen Kuchen abzustauben, dass ist doch total bescheuert. Es muss nicht von Anfang bis Ende komplett durchgehend gut sein um mir zu gefallen. Ich finde n paar Quietscher viel sympathischer als den perfekten Sound. Und ich denke man sollte dazu stehn und nicht versuchen sich solange amöbenartig an und einzupassen bis man selber nicht mehr zu erkennen ist. Nur um Platten zu verkaufen? Das ist doch widerlich, was sich die Leute antun um im Rampenlicht zu glänzen und sich als etwas darzustellen, was sie gar nicht sind. Sorry, aber so was kann ich nicht ernst nehmen. Im Gegenteil, davon wird mir übel.

Und du bist sicher, das du dieses Gefühl mit den neuen Leuten deiner neuen Band wieder erleben kannst / darfst?
Wie / wo hast du diese Leute überhaupt so schnell gefunden? Denn ich fand es schon außergewöhnlich schnell, wie du wieder mit deiner neuen Band am Start warst. Andere Sänger machen eigentlich immer eine längere Pause, bevor sie wieder ins kalte Wasser springen, um was Neues auf die Beine zu stellen.
War es dein persönliches Ziel möglichst Schnell wieder präsent zu sein, um nicht in Vergessenheit zu geraten?

Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Wer sollte mir das garantieren? Und selbst wenn’s heute so wäre, wie lange würde es halten? Sicher sein kann man sich doch mit nichts. Man muss es einfach probieren und mit Dennis und Seppl habe ich zwei alte LBA Member der allerersten Stunden im Boot, die seinerzeit eben wegen dieser Werte Mitglieder geworden sind. Ich denke also die Vorzeichen sind schon mal gar nicht schlecht…
An und für sich wollte ich überhaupt keine Musik mehr machen. VJ auflösen und Schluss hab ich gedacht. Die letzte Platte wäre ein gutes Ende gewesen. Ich hatte mir die Sache lange und reiflich überlegt und war mir sicher, dass es so die beste Lösung ist und auch der beste Zeitpunkt und so. Tja, wies am Ende ausgekommen ist weißt du ja. Das hat mir natürlich alles nicht gepasst, es hätte aber am Ende wohl auch nichts an meinen Plänen geändert. Ich war fertig damit.
Jetzt gab’s zum Schluss aber noch ne Aussprache mit der Band beim Label, weil Sunny Bastards VJ am liebsten im Stück erhalten hätte. War natürlich längst zu spät und alle wussten das, aber wir haben uns trotzdem noch mal getroffen und geredet. Ich denke während dieser Aussprache habe ich beschlossen, es doch noch mal zu versuchen. Nicht um nicht vergessen zu werden, aber bestimmt um ein Gegengewicht zu sein und natürlich hat auch Trotz ganz sicher eine Rolle gespielt. Das muss ich wohl zugeben. Mich hatten, nach dem bekannt werden der Trennung, schon ne Menge Leute angeschrieben und es hatte auch konkrete Angebote von diversen Musikern und sogar kompletten Bands gegeben. Also hatte ich mit dem Gedanken und den Möglichkeiten und Konstellationen schon son bisschen gespielt. Sunny Bastards bot sofort volle Unterstützung an. Ein Riesen Vertrauensbeweis. Also dachte ich irgendwann, warum eigentlich nicht? Noch mal neu anfangen wird zwar sicher schwierig, aber es ist heute alles so viel einfacher als damals und den Grundstein legen weckt ja auch deinen Pioniergeist und so. Nichts ist eingefahren, du kannst alles noch mal völlig frei gestalten. Da hab ich mich in den Gedanken verliebt. So hab ich also angefangen mich umzusehn.
Ab da ging alles sehr schnell. Dennis hatte seinerzeit bereits bei Oi the Band Bass gespielt und Seppl (180 Grad) kam im Gespräch nach meinem letzten Auftritt mit VJ spontan dazu. Eric (Pure Quo) und Andre (Ex Alvarez) fanden wir übers Internet. Dank der Kollegen von Cotzraiz gab es einen Raum mit allem pipapo um ein paar Mal Probe zu proben und so kam eins zum andern. Seppl brachte direkt einiges an musikalischen Ideen mit und ich hatte ja noch bergeweise jahrelang liegen gebliebene Texte. Es ging wirklich alles fix. Pures Glück und ne Handvoll guter Wille, das hat gereicht. So hatten wir in relativ kurzer Zeit schon ne ganze Reihe wirklich guter Songs. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass von Anfang an alles perfekt laufen wird und wir hatten auch schon einiges an Schwierigkeiten zu bewältigen. Die Band war ein Experiment. Eric ist inzwischen schon wieder ausgestiegen. Ich hab keine Ahnung wer noch dazu kommt, oder wieder geht. Es gibt bisher nur wenige feste Strukturen, wir stehen ganz am Anfang. Aber ich denke wir sind auf einem wirklich guten Weg und können locker in die Zukunft blicken. Fast jede Probe bringt neue Songs. Die neuen Kollegen sind mit Spaß bei der Sache. Und wir hatten praktisch vom ersten Tag unseres Bestehens an Angebote für Konzerte, Platten, Sampler. Unser erster gemeinsamer Song ist inzwischen veröffentlicht und hatte durchweg gute Reaktionen wie ich finde. Es geht wirklich super voran.

Wäre Theoretisch zurzeit ein Konzert mit VJ und LBA im Bereich des Möglichen?

Nein ich denke nicht.

Damit lassen wir mal das Bandinterne Gespräch hinter uns und plaudern so noch ein wenig, denn es soll ja kein reines VJ / LBA Interview werden, sondern eines mit Dir Peter. Nervt es dich eigentlich, das man dich zu 99% „Zoni“ und nicht „Peter“ ruft? Wer hat dir den Namen verpasst und warum? Nur aus dem Grund, das Du aus der Zone kamst?

Also zu Anfang fand ich das ganz furchtbar. Als ich gerade kurze Zeit hier lebte und der Kopf noch lange nicht im Westen angekommen war, klang es fürchterlich für mich. Den Namen hab ich vom Spiller. Und ich glaub nicht mal, dass mich das irgendwie abwerten sollte oder so. Es gab damals einfach zwei Peter im Freundeskreis. Der andere Peter kam aus Mülheim und spielte in Spillers damaliger Band VdG Gitarre glaub ich. Damit man sich nicht ewig erklären musste, wurde so erst Zonenpeter und später kurz Zoni aus mir. Klar, weil ich ausm Osten bin, zu der Zeit gab’s im Pott noch nicht so super viele Ostler. Ich hab’s gehasst, aber es blieb mir nichts anderes übrig, als damit zu leben. Irgendwann hab ich mich dann auch dran gewöhnt und später sogar fürs Scumfuck und verschiedene andere Zines als Zonenpeter Artikel verfasst und ganz allgemein meine Post mit Zoni unterschrieben. Heute nehme ich es als Marke und bin sogar auch ein bisschen stolz drauf, dass viele bei „Zoni“ nicht an 16 Millionen Ostler, sondern erstmal an mich denken. Ein eigenartiges Gefühl hab ich aber trotzdem heute noch dabei, wenn mich Ostler Zoni rufen…

Und wie fühlst du dich als „älterer Skinhead“, wenn du heute die ganzen Jung Glatzen auf Konzerte siehst? Erfüllt es dich mit Stolz, das du immer noch den richtigen Way Of Life lebst / fühlst / denkst? Glaubst Du, dass dich die jungen Skins als so eine Art Vorbild sehen?

Klar ist man da stolz. Du doch bestimmt auch oder? Gibt nur wenige die das so lange durchhalten und  gut drauf sind dabei. Es ist und bleibt die beste Sache der Welt, ganz ohne Frage und ich denke ich bleibe dem Kult noch lange und mit Freude treu. Auch wenn ich heute bestimmt nicht mehr der Hardcorevorzeigeskin von früher bin. Irgendwann findet man seine Nische, in der man der Sache treu bleiben kann, auch ohne in der ersten Reihe zu pogen, denk ich. Kann sein, dass das für viele so ne Art Vorbildkiste ist, denke aber weder dass ich zum Vorbild tauge, noch dass es irgendetwas nützt. Jeder geht seinen eigenen Weg, so oder so.
Natürlich ist heute alles besser, allein durch die neuen Medien hat sich viel verändert. Was durch das Internet alles möglich ist! So was von Bandvielfalt wäre früher undenkbar gewesen. Früher bekamst du alle Jubeljahre mal n paar schlechte Zines mit völlig veralteten oder noch schlechteren Infos in die Hand. So was kennt doch heute keine Sau mehr. Wenn du irgendwas wissen willst, hast du in Minutenschnelle alles aufm Tisch. Bands, Infos, Termine. Wir werden mit Musik überschwemmt. Jede Woche um die Ecke irgendein Konzert, in letzterer Zeit sogar ewig irgendwelche Festivals mit zig Bands… Es ist insgesamt alles viel bunter und unkomplizierter geworden.
N bisschen schade finde ich aber trotzdem, dass dabei auch viel auf der Strecke geblieben ist. Die Leute sind heute ungleich bequemer geworden. Früher sind wir hunderte Kilometer gefahren, um ein gutes Konzert zu sehen. So was gibt’s heute kaum noch. Außerdem stört mich, dass es heute viel zu viele gibt, die den Kult scheinbar mit ihren Stiefeln an und auch wieder ablegen. Alles was es früher schwieriger gemacht hat, hatte auf irgendeine Weise doch auch seinen Reiz. Ich fand es immer cool der Bürgerschreck zu sein, das geb ich offen zu. Diese Outsiderkiste war doch ein wichtiger Bestandteil unseres Daseins, auch wenn’s dafür ziemlich oft was auf die Mütze gab. Für mich hat das alles dazu gehört. Und ich glaub nicht, dass viele der heutigen Skins auch damals Glatzen gewesen wären. Jedenfalls nicht lange. Oder was meinst du?

Das kann ich mir auch nicht vorstellen, auch wenn ich persönlich ja erst Anfang der 90ziger mich dem Skinhead Kult zuordnen lasse (davor seit 1978 „Punk“ gewesen“).
Dann lasse uns mal zum Ende des Interviews kommen, denn die letzten Zeilen deiner letzten Antwort, war schon, wie ich finde, ein sehr gutes Schlusswort, obwohl wir beide bestimmt noch Seiten füllen könnten, aber der Platz im MOLOKO+ ist ja auch eingeschränkt.
Abschließend würden mich noch gerne deine Zukunftsperspektiven im Musikalischen, sowie im Privaten Bereich interessieren, bevor wir das Interview beenden! Danke für die Zeit die du dir genommen hast, um meine fragen in aller Ausführlichkeit zu beantworten.

Jo, ich fürchte wir liegen schon jetzt hart an den Grenzen. Ist dann wohl doch etwas mehr geworden… also lass uns mal schnell Schluss machen:
Ich sehe sowohl privat, als auch mit der Band ganz locker in die Zukunft. Familie ist für mich erst mal das allerwichtigste und steht in jedem Fall ganz vorne an. Frau und Kinder mussten leider viel zu oft zurückstecken. Das wird es so nicht noch einmal geben. Deshalb geht’s musikalisch ganz locker vorwärts. Ich möchte mir auf jeden Fall weiter den Luxus bewahren, keinen Trends hinterherlaufen zu müssen und nur vertreten, was ich für vertretbar halte. Es gibt keine großen Ziele mehr, es locken keine Rekorde und auch Erfolg allgemein ist mir scheißegal. Ihr wisst, was mir am Musikmachen wichtig ist. Also lasst uns auf ein zwei gute Platten mit der Army hoffen und vielleicht auch noch ne Handvoll Konzerte machen. Wohin die Reise geht, sollte inzwischen klar sein. Musik um der Musik Willen, wir brauchen niemandem was zu beweisen und keinem was vorzumachen. Ich denke, es wird spannend. Gerade deshalb.
Abschließend bedanke ich mich bei dir und den Lesern für das Interesse, es hat Spaß gemacht mit dir zu plaudern und meine Sicht der Dinge zu schildern. Vielen Dank an alle die weiter hinter mir und der Army stehen. Es ist noch nicht vorbei.
Zoni Okt 2008
www.myspace.com/zonenpeter
www.LostBoyzArmy.de
www.myspace.com/lostboyzarmy