Combat 77 – China Tour

09.-23. Februar 2009

Montag, 09. Februar

Oh man, was für eine beschissene letzte Nacht auf der Arbeit. Ich bin völlig übermüdet. Meine Leute, in dem psychiatrischen Wohnheim in dem ich arbeite, haben mich ganz schön auf Trapp gehalten.
Nun schnell nach Hause, es gilt keine Zeit zu verlieren, in fünf Stunden geht’s los zum Flughafen und es ist noch nicht ein Koffer gepackt.
Nach dem letztjährigem Trip mit Riot Company nach Indonesien, steht wieder eine Tour durch die unbekannten Weiten Asiens auf dem Programm. Diesmal geht’s mit meiner anderen Band Combat 77 in das Land des Lächelns, nach China.

Möglich wurde diese Tour durch unsere Zusammenarbeit mit Kids Union Records & Booking in Person von Gao und Ray.
So hat Kids Union die Rechte an unserem ersten Album erworben, um dieses in China zu veröffentlichen. Was lag da näher als eine Promotiontour!
In kürzester Zeit wurden für uns 10 Shows in 11 Tagen gebucht. Einmal quer durch das ganze riesige Land, von Peking (Beijing) im Norden bis in den Süden, ins subtropische Hongkong.
Wieder eine Tour ins Ungewisse, wieder ein großes Abenteuer. Ich freue mich riesig und meine Müdigkeit ist plötzlich wie weggeblasen.

Gegen 12:30 Uhr schlägt Hannes bei mir auf und meine Mutter bringt uns freundlicher Weise zum Hannover Airport. Wir fliegen mit Air France und unsere Route führt über Paris Charles de Gaulles nach Peking.
Nach dem Abschied von meiner Mutter beschließen wir im Flughafenpub bei einem letzten einheimischen Bier, auf die Anderen zu warten.
Kaum sind die Gläser geleert, sind auch Kirsten, Björn, Noppi und Uli eingetroffen.
Letzterer begleitet uns auf der gesamten Tour. Als Asienfan kennt er sich schon etwas im Land aus und es ist schön ihn dabei zu haben.
Hannes (ebenfalls Indonesien mit Riot Company) und Björn (Japan mit Recharge) verfügen ebenfalls schon über Erfahrungen mit Reisen nach Ostasien. Unser neuer Gitarrist Noppi dagegen ist kalkweiß und völlig von der Rolle, was sich aber mit der Zeit legen sollte.

Da wir noch eine halbe Stunde Zeit haben gehen wir noch einmal geschlossen in den Flughafenkiosk um Bier zu kaufen. Um Zeit zu sparen, beschließe ich alle Dosen zusammen zu bezahlen, doch die Kassiererin wird skeptisch und schaut mich musternd an. „Den Personalausweis, bitte!“ Ich bin völlig fassungslos. Hat die mich gerade nach meinem Perso gefragt? Mich? Gejohle um mich herum. Doch liebenswürdig wie ich nun einmal bin, zücke ich meine Papiere und deute freundlich auf mein Geburtsdatum und sage: „Junge Frau, ich werde dieses Jahr noch 30!“ Ach war das schön. Zwar werde ich häufig jünger eingeschätzt, aber so etwas?!?!?! Nun gut, man hört es ja gern.

Der Flieger nach Paris startet pünktlich. Es ist eine Fokker und damit kleiner als ein Reisebus. Der Flug verläuft ereignislos, zwar merken wir, dass es bei der Landung recht windig ist, messen diesem aber, zu diesem Zeitpunkt, noch keine große Bedeutung zu.
Der Weg über das Rollfeld bis hin zum Gate dauert über eine halbe Stunde. Trotzdem sollten 55 Minuten eigentlich locker ausreichen um den Anschlussflug zu erreichen, schließlich (so sollte man meinen) müsste Gate 2F ja gleich neben 2G liegen. Pustekuchen. Sie sind Kilometer von einander entfernt und wir müssen sogar noch einen Shuttlebus nehmen. Langsam wird es knapp mit der Zeit und wir laufen zum Check in. Zu fünft stehen wir nach einer problemlosen Kontrolle wenig später auf der anderen Seite, doch einer fehlt.
Da sehe ich schon, wie ein Haufen Sicherheitsleute um Björn herum steht und mit den Teilen seiner Fußmaschine rumhantiert.
Dabei war im Vorhinein alles telefonisch angemeldet und bestätigt worden, doch jetzt heißt es „no way“, damit kommst du nicht in den Flieger. Alles muss extra aufgeben werden und die Zeit verstreicht.
So laufe ich mit Uli zum Gate um eventuell noch etwas Zeit herauszuholen. Doch es ist zu spät, das Gate schließt vor unseren Augen. Fuck!
Aber nun gut, alles halb so wild, dann eben mit dem Flieger in vier Stunden, denken wir.
Dann der Schock. Der komplette Flughafen wird dichtgemacht. Unwetter. Der nächste Flug nach Peking in 24 Stunden!!! Uff. Was nun? Wir fragen uns durch, und schließlich erhalten wir Bustickets und Hotelgutscheine. Air France muss 10tausende von Passagieren in der Stadt unterbringen. Wie wir später erfahren, ist es das erste Mal in 30 Jahren, dass der komplette Flughafen dicht gemacht wird. Ganz große Klasse.
Aber wir sind nicht irgendwo untergebracht. Standesgemäß bringt man uns in ein 4 Sterne Hotel im Euro Disney mit Blick auf das Märchenschloss. Wir stürzen uns gleich auf das Buffet, welches absolut fantastisch ist. Die „richtigen“ Gäste sind dagegen weniger erfreut, als plötzlich Horden von Pauschaltouristen in ihr nobles Hotel einfallen und Fressen als gäbe es kein Morgen.
Das Essen und die edlen Zimmer, von denen eines schlappe 400 Euro die Nacht kostet (wir haben drei bekommen), tröstet uns etwas über den verpassten Flug hinweg. Unser geplantes Trinkgelage muss dagegen leider entfallen. Alkohol muss selbst bezahlt werden. Ein kleines Bier acht Euro. Nein danke, dann Gute Nacht.

Dienstag, 14. Februar 2009

Gut ausgeruht erwachen wir, ich schaffe es sogar noch pünktlich zum Frühstück, welches sonst in der Regel, einer weiteren Stunde Schlaf zum Opfer fällt. Es gibt Brötchen, Croissants und alles was man sich wünscht, da lässt sich Air France wirklich einiges kosten um ihre festsitzenden Kunden einigermaßen bei Laune zu halten.
Unser heutiger Flug soll planmäßig um 18:55 starten. Es ist zwar immer noch stürmisch, die Langstreckenflüge sollen jedoch stattfinden. Gegen 13 Uhr sitzen wir also in der Hotellobby und warten auf die Shuttlebusse. In den ersten Bus ist kein hineinkommen. Denkt man doch immer Drängelei und Unfreundlichkeit ist eine Eigenart der Deutschen, so wird man hier eines besseren belehrt. Franzosen und Amerikaner führen einen erbitterten Kampf um die Plätze. Das ist uns einfach zu blöd. Zumal uns gesagt wird, dass noch mindestens 2 weitere Busse kommen. Der nächste lässt eine gute Stunde auf sich warten und wieder kämpfen die genervten Touris, als ob es um Leben und Tot geht, um die Sitzplätze.
Ein dicker Franzose in edlem Zwirn und der Trikolore auf dem Jackett tickt nun völlig aus und schimpft wild um sich, so dass er von mehreren Hotelangestellten gebändigt werden muss.
Als nach weiteren 30 Minuten noch immer kein weiterer Bus eingetroffen ist, gehe ich, zum mittlerweile bestimmt fünften Mal, zur Rezeption and frage wie es nun weitergehen soll. Dieselbe Dame, die vorher meinte es würden noch weitere Busse kommen, teilt mir nun mit, dass es das gewesen wäre. Doch es sitzen noch immer an die 30 ahnungslose Leute in der Lobby, denen man diese Information schlichtweg vorenthalten hat.
Wir fordern, dass man uns ein Taxi ruft, den wir auch bekommen, und teilen den anderen Wartenden mit was Sache ist. Der dicke Franzose ist nun überhaupt nicht mehr zu halten, was dem ganzen dann doch noch einen amüsanten Touch gibt.

Dann sind wir endlich wieder am Flughafen. Björn macht sich gleich auf den Weg um noch einmal sein Glück mit der Stange der Fußmaschine zu suchen, doch ohne Erfolg. Sie soll nachgeschickt werden.
Währendessen stehen wir vor dem Check-in und stoßen endlich mit kaltem Bier auf den baldigen Abflug an.
Das Einchecken verläuft diesmal reibungslos, nur Hannes fragt, warum wir denn plötzlich nach Beijing fliegen und nicht nach Peking! Hehe.

Der Flieger ist OK, zwar bin ich von den letztjährigen Emirates Flügen noch einiges mehr gewöhnt, aber man kann es aushalten.
Kaum gestartet, droht Noppi bereits ein paar Engländern die hinter uns sitzen Schläge an. Er hat wohl etwas Flüssigkeit in den Nacken bekommen. Ob es wirklich die Tommis waren, oder nur ein Tropfen aus der anlaufenden Klimaanlage über ihm, bleibt jedoch ungeklärt.
Der Flug an sich verläuft ruhig. Wir halten die Stewardessen, bzw. Flugbegleiterinnen wie man ja heute sagen muss, schön in Bewegung indem wir ein Bier nach dem anderen ordern und vertreiben uns die Zeit mit dem Entertainmentsystem und etwas Schlaf.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Um 11:40 Uhr Ortszeit landen wir in Peking. Am Gepäckband wird schnell klar, dass Björns Koffer, in dem unter Anderem die Becken sind, und auch das extra aufgegebene Teil der Fußmaschine, fehlen.
Wieder langes Warten und Durchfragen beim Personal. Der Koffer ist noch in Paris! Super!
Wir können es aber nicht ändern und gehen in die Ankunftshalle. Dort sehen wir auch schon Ray mit den Armen wedeln. Er arbeitet für Kids Union, ist unser Tourmanager und begleitet uns die ganzen zwei Wochen. Außerdem ist er als Sänger der Band No Name (in Deutschland bei Contra Records) ein kleiner Star in China, der die Titelseiten diverser Musikmagazine schmückt.

Draußen ist es bewölkt bei 10 Grad. Immerhin wärmer als zu Hause, wo gerade ein Schneesturm wütet. Mit drei Taxen, die hier fast gar nichts kosten, machen wir uns auf den Weg in unser Hotel. Entgegen aller Befürchtungen ist alles recht sauber und gemütlich und wir richten uns für 2 Tage ein.
Nachdem wir uns frisch gemacht haben, lädt uns Ray zu einem traditionellen chinesischen Begrüßungsessen in ein kleines Restaurant ein, was wir gerne annehmen. Es gibt gerade mal zwei Tische und alles sieht nicht besonders Hygienisch aus. Am anderen Tisch sitzen bereits die restlichen Leute von No Name, die uns herzlich begrüßen und es wird Bier bestellt. 0,6 Liter für 35 Cent (wie fasst überall). Halleluja!
Die Speisen auf der Karte sehen ebenfalls recht appetitlich aus und Ray ist ordentlich am bestellen. Auch das fertige Essen auf den Tellern macht einen guten Eindruck und wir beißen herzhaft zu. Doch was ist das? Purer Knorpel und Knochenplatten!!! Reines schwabbeliges Bauchfett!!! Alles gut gewürzt und frittiert und damit lecker aussehend, aber absolut ungenießbar!!! Nun haben wir Ray, der genüsslich am Speisen ist, ja gerade erst kennen gelernt und wollen ihm nicht gleich sagen, dass alles widerlich ist, zumal es als höchst unhöflich gilt, angebotene Dinge abzuschlagen. So quälen wir uns, außer Noppi, der sofort kapituliert, und versuchen das Zeug irgendwie runter zubekommen.
Alles schaffen wir jedoch beim besten Willen nicht, Hunger haben wir aber trotzdem noch.
Nach dem Schock holen wir unsere Instrumente und machen uns auf den Weg in den Club, indem wir heute spielen. Das Mao Live House ist bequem zu Fuß zu erreichen.
Ein gut ausgestatteter moderner Club, wie man ihn sich in Deutschland oft wünschen würde. Überhaupt sind alle Veranstaltungsorte der gesamten Tour sehr gut. Schöne, teils etwas rustikale aber moderne Clubs mit gemütlichen Bars. Da fühlt man sich sofort wohl.
Mit uns zusammen stehen heute No Name und die ja auch in Deutschland recht bekannten Mi San Dao auf der Bühne.
Uli kümmert sich derweil um unsere Getränke und verlangt 10 Bier pro Person. Ray, der davon ausging, dass das für die ganze Band reichen würde, macht da erstmal große Augen. Ja ja, die Asiaten und Alkohol. Nix können sie ab! 

Der Schuppen ist mit über 300 Leuten gut gefüllt und wir feiern eine schöne Party. Nur besonders viele Skinheads lassen sich nicht entdecken. Wir fragen Leijun von Mi San Dao, wo die denn alle wären und er erzählt uns, dass der Hype mittlerweile wieder vorbei sei und es außer der Band eigentlich nur noch eine Hand voll in der gesamten 10 Millionen Metropole geben würde. Schade zu hören, aber auch umso bemerkenswerter, dass die Jungs ihr Ding trotz allem weiterhin allein durchziehen.
Auch die Punkszene steckt noch in den Kinderschuhen, wächst aber stetig. Äußerlich geben sich ebenfalls nur wenige als Punks zu erkennen. Zu groß ist noch die Angst in diesem Land vor Andersdenkenden und so wagen nur weinige diesen Schritt.
Auf dem Konzert tummeln sich auch einige Deutsche, die in Peking leben und sich freuen, Leute aus der Heimat zu treffen. Viel Zeit zum Unterhalten bleibt jedoch nicht, weil wir ständig zum Fotos machen und Autogramme schreiben unterbrochen werden und schließlich wollen wir auch bald ins Bett, weil uns der harte Tag ganz schön in den Knochen liegt.
In der Hotellobby trinken wir noch ein Gute Nacht Bier und entdecken durchs Fenster ein golden Leuchtendes „M“ am Ende der Strasse. Die Rettung, denn der Hunger ist ungebrochen. Also nichts wie los und ein paar Burger besorgt. Unglaublich, dass ich mal so froh sein würde diesen Fraß zu bekommen.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Heute wollten wir uns eigentlich um 10 Uhr morgens treffen um uns vor dem zweiten Auftritt in Peking noch etwas die Stadt anzuschauen. Doch Ray kommt und kommt nicht. Erst mittags steht er zerknittert vor uns. Wie war das mit Asiaten und Alkohol?
Inzwischen ist aber Gott sei Dank Björns Koffer geliefert worden und alle sind guter Dinge. Doch Ray möchte wieder mit uns in das Restaurant von gestern. Entsetzen macht sich breit. Höflich versuchen wir ihm beizubringen, dass wir doch gerne etwas „normales“ essen würden. Zwar begleitet er und zu McDonalds und isst auch etwas, ist aber dennoch ziemlich angepisst, dass uns sein Schlangenfraß nicht so zu schmecken scheint. Egal, da muss er durch. Noch Tage später haben wir den Geschmack des Knorpels und des Fetts im Hals, es geht einfach nicht weg. Zumal einem auch alle paar Meter auf der Strasse ebendieser Geruch aus den unzähligen Essensbuden, in die Nase steigt.

Nach dem Essen wollen wir etwas von der Stadt sehen. Zu Fuß gehen wir zum Drum Tower und schlendern durch die letzten erhaltenen Strassen der Altstadt von wo aus wir mit dem Taxi zum Platz des himmlischen Friedens fahren. Dort machen wir ein paar Bilder vor dem riesigen Mao Portrait und Hannes wird von allen Seiten bestaunt. So etwas wie einen Psychobilly hat hier noch niemand je zuvor gesehen. Alle Leute zeigen auf ihn und drehen sich nach seinen grünen Haaren um.
Ein älterer Herr kommt mit einem Prospekt zu ihm und zeigt auf einen Pandabären, der einen grünen Hut trägt. Ich kann nicht mehr vor lachen.
Später erfahren wir, dass grün als die Farbe der untreue gilt und untreue Menschen früher als Strafe einen grünen Hut tragen mussten.

Trotz anhaltenden Regens entschließen wir uns die Verbotene Stadt (nein, nicht Braunschweig) zu besuchen. Gigantisch was hier geschaffen wurde. Wir gehen sämtliche Paläste, Thronsäle sowie den Kaiserlichen Garten ab und sind beeindruckt, bevor wir wieder am Olympiastadion vorbei Richtung Hotel fahren. Wir haben noch eine Stunde Zeit um etwas zu schlafen, bevor wir zum Soundcheck aufbrechen müssen.
Vorher schafft es Ray aber doch wieder uns in so ein Restaurant des Grauens zu schleppen. Wir verlangen Reis und Nudeln, was man ja einigermaßen essen kann, aber es gibt dennoch wieder fragwürdige Beilagen. So gibt es zusätzlich noch Kuddeln, nach Schwefel stinkende Eier, irgendein widerliches Tofuzeug und einen Schnaps der umgehend Brechreiz auslöst. Oh Gott.

Der Club befindet sich im Keller eines großen Hotels. Zwar sind nicht so viele Leute da wie am Vortag, aber die Anwesenden feiern dafür umso mehr. Heute spielen neben No Name noch Gum Bleed, die einzige Irokesenband des ganzen Landes.
Die Toilette befindet sich eine Etage weiter unten in der Tiefgarage. Durch meine drei Wochen im indonesischen Dschungel war ich ja schon einiges gewohnt aber an einem dermaßen verdreckten Ort, war ich nun auch noch nicht. Um das Loch im Boden befanden sich kniehohe Haufen mit benutztem Klopapier, was immerhin den Nebeneffekt hatte, die Atemwege wieder frei zu ätzen. Für uns Kerle war es ja schon schlimm genug, aber die arme Kirsten konnte einem schon richtig leid tun, zudem es auch keine Türen gab.
Aber auch interessant zu sehen, dass es Leute gibt, die so schmerzfrei sind und ihre gewaschene Wäsche in fünf Metern Entfernung zu diesem Drecksloch aufhängen.

Das Konzert macht wieder sehr viel Spaß. Ich bin der Meinung, dass ich in meinem Leben noch nie so gut Gitarre gespielt habe, wie an diesem Abend, vielleicht bin ich aber auch einfach immer noch vom Klogestank bedröhnt.
Im Anschluss möchte Björn mit den Jungs von Gum Bleed eine CD tauschen, wird jedoch von Ray zurückgepfiffen. Nach dem Motto die Band sei nicht würdig genug, für so einen Tausch mit uns. Scheiß Statusdenken, wir tauschen trotzdem.
Früh geht es wieder ins Bett, denn um 5 Uhr morgens müssen wir zum Bahnhof. Auf dem Weg zum Hotel hören wir von Ray zum ersten Mal einen Satz, der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Tour ziehen wird. „We lost some money“ Da es sich aber immer nur um einstellige Eurobeträge handelt, kümmert uns das weniger.

Freitag, 13. Februar 2009

Ray klopft an die Tür. Es ist mitten in der Nacht. „Quick, quick!“ Wir müssen schnell aufstehen und schnell zum Bahnhof, wo wir dann auch in aller herrgottsfrühe dumm Rumstehen und noch über eine Stunde Zeit haben. Langsam beginnen wir diesen kleinen chinesischen Quälgeist zu verfluchen. Aber sobald er einen mit seinem riesigen Schädel angrinst, kann man ihm einfach nicht mehr böse sein. Ja, wir haben uns sogar schon richtig angefreundet.
Bahnhöfe in China haben mehr Ähnlichkeit mit einem Flughafen. Riesige Wartehallen, deren Tore erst geöffnet werden, sobald der Zug am Bahngleis steht.
Nach einem humanen Frühstück bestehend aus Reis und Ei können wir in den völlig überfüllten Zug. Gott sei Dank haben wir reservierte Plätze, anderes wäre es nicht zu ertragen. Wir fahren 7 Stunden durch karge und leblose Landschaften. Die aktuelle Wasserknappheit lässt das Land noch trostloser erscheinen als es ohnehin schon ist.
Schließlich erreichen wir Zhengzhou (7.000.000 Einwohner). Ray fordert uns auf an der allgemeinen Drängelei teilzunehmen und uns so schnell es geht aus dem Zug rauszukämpfen. Wir sehen das jedoch alles etwas lockerer und staunen nicht schlecht, als wir plötzlich von Militär und Polizei aus dem Zug gezerrt werden. Ein riesen durcheinander. Während an der einen Tür die Leute raus gezogen werden, werden sie an der nächsten schon mit aller Kraft hineingedrückt und zusammengequetscht. Das Militär brüllt uns durch seine verdammten Megaphone irgendwelche Befehle direkt ins Ohr. Frauen schreien, Kinder weinen und wir mittendrin. Man kommt sich vor wie Vieh. Draußen vor dem Bahnhof der nächste Schock. Mehrere 10.000 Menschen auf einem riesigen Platz. Menschen soweit das Auge reicht, wie Ameisen und wir als einzige Weißbrote dazwischen. Es sind absolut furchtbare Verhältnisse und uns wird angst und bange, wenn wir an die nächsten Tage denken.
Das Volk in Nord- und Zentralchina ist ohnehin sehr rücksichtslos. Gespuckt wird überall, auch in den Zügen. Dazu wird gerempelt wo es nur geht. Man versucht die Bevölkerung sogar durch Werbespots zu mehr Rücksichtnahme zu bewegen, ohne großen Erfolg. Im Gegenteil, Ray fordert uns auf mehr zu schupsen und zu drängeln, ganz egal wenn man dabei einer 80jährigen Omi in die Rippen haut, aber das ist uns einfach zu wider.

Auf dem riesen Platz brauchen wir 30 Minuten um zwei Taxen zu bekommen. Es ist total laut. Auch unser Fahrer scheint nicht normal sprechen zu können und ist unentwegt am Schreien. Das wir kein Wort verstehen, scheint ihn dabei nicht zu interessieren. Wir fahren gleich in den Club, keine Zeit um etwas abzuschalten. Immerhin gibt’s hier einen Computer mit einer vernünftigen Verbindung, so dass man ein paar Lebenszeichen nach Hause schicken kann.
Die Show wurde in einen größeren Club umgebucht, aber es ist schweinekalt. Obwohl draußen auch gerade Mal ein paar Grad plus sind, läuft die Klimaanlage drinnen auf Hochtouren.
Das Publikum heute ist sehr lustig. Man fühlt sich etwas in ein Avril Lavigne Video hineinversetzt. Haufenwiese kleine Kids die wie wild vor der Bühne auf und ab hüpfen und ununterbrochen Handyvideos fabrizieren.
Wir werden gefeiert wie Rockstars, was zur Folge hat, dass man wieder Unmengen Fotos machen und Autogramme schreiben muss.

Mittlerweile machen sich die ersten Verschleißerscheinungen bemerkbar. Björn und Kirsten hat es ziemlich erwischt und auch der Rest ist gesundheitlich angeschlagen. Aber Kirsten findet für jeden etwas, was sie aus ihrer Reiseapotheke zaubern kann, so dass für alle gesorgt ist.

Auch morgen geht’s wieder um 5 Uhr in der früh weiter. Also ab ins Bett. Zum einzigen Mal, sind wir heut in einer Privatwohnung untergebracht. Alles ist sehr einfach und nicht besonders sauber, aber ich bin so müde, dass ich schlafe wie ein Stein. Auch die Matratze (Holzbrett + Decke) finde ich nach der ungemütlichen Zugfahrt sehr entspannend für meinen Rücken.

Samstag, 14. Februar 2009

Pünktlich um 5 Uhr werden wir geweckt. Ich habe eigentlich sehr gut geschlafen. Noppi hingegen schimpft wegen der harten „Matratze“. Wir haben ein etwas mulmiges Gefühl, wenn wir an die bevorstehende Zugfahrt und vor allem das Aus- und Einsteigen am Bahnhof denken. Doch Ray meint um diese Uhrzeit wäre es nicht so voll. Falsch gedacht. Der Bahnhofsplatz platzt schon wieder aus allen Nähten. Wir kämpfen uns durch bis wir die richtige Wartehalle erreicht haben und reihen uns ein. Als endlich die Tore zum Bahnsteig geöffnet werden, rennen um uns herum alle plötzlich wie wild los, so dass man von dem Strom zwangsweise mitgerissen wird.
Die Zugfahrt dauert volle acht Stunden. Unser Ziel ist Xi’an (7,2 Millionen Einwohner), welches dem ein oder anderen eventuell durch die weltberühmte Terrakotta-Armee bekannt ist.
Die Landschaft unterwegs ist wieder trostlos und öde. Lediglich die unzähligen bewohnten Höhlen, die ringsum in den Fels geschlagen wurden, sind sehenswert.

Gottlob ist Xi’an Endstation und wir können entspannt aussteigen. Zur allgemeinen Freude haben wir jetzt ebenfalls noch zwei Stunden Zeit um noch etwas im Hotel zu schlafen. Im Zug selbst hat man so gut wie keine Möglichkeit etwas Ruhe, geschweige denn Schlaf zu finden. Dazu ist es einfach zu eng und unruhig um einen herum.

Der heutige Club befindet sich in einer wunderschön Strasse, die aufgrund ihrer bunten Beleuchtung etwas an die Reeperbahn erinnert. In der gesamten Millionenstadt ist dies der einzige Club, in dem Rockmusik gespielt wird. Dementsprechend voll ist es auch.
Der Inhaber ist ein Chinese der aussieht und gekleidet ist, wie ein Indianer. Ein völlig durchgeknallter Typ.
Außerdem lernen wir Kids Union Chef Gao kennen. Dieser kann jedoch so gut wie kein Englisch was eine Unterhaltung sehr schwierig macht und so lass ich Björn allein mit ihm über das „Geschäft“ sprechen.
Rays Schwestern sind auch da. Jedoch sage ich ihm, dass ich ihm das nicht abkaufe und er doch mal seinen riesen Schädel im Spiegel mit den ihrigen vergleichen soll. Noppi kugelt sich am Boden während Ray mich verstört ansieht. Aber so langsam versteht er unseren Humor und kann später auch drüber lachen.

Das Konzert ist super auch wenn sich plötzlich ein paar Typen vor der Bühne die Köppe blutig hauen. Der Indianer versorgt uns mit Oldenburger Pils, welches die Chinesen zu Ehren eines alten deutschen Braumeisters brauen. Etwas zu süß die Plörre, da schmeckt das auch bei uns bekannte Tsingtao doch um einiges besser.
Nach dem Konzert versinkt der Indianer in seinem Element. Karaoke! Völlig ausgelassen springt er brüllend durch seine Bar und feiert ohne Ende. Schließlich stellt er Björn und Kirsten seine Frau vor und fragt was sie denn von Partnertausch halten würden. Ein lustiger Typ.

Aber Uli und ich wollen schnell ins Hotel, schließlich ist es in Deutschland Samstagnachmittag und das chinesische Fernsehen überträgt bekanntlich Bundesliga live. Nach dem 3:2 für 96 nach 0:2 Rückstand gibt es vorübergehend kein Halten mehr und wir toben durchs Zimmer, auch wenn wir durch den Ausgleich kurz vor Schluss wieder auf den Boden geholt werden.

Sonntag, 15. Februar 2009

Heute geht’s um 9:45 Uhr mit dem Flugzeug nach Wuhan (9 Millionen Einwohner). Alles läuft zur Abwechslung mal reibungslos, dennoch ist die Hälfte von uns krank. Stundenlange Fahrten, nasskaltes Wetter, kaum Zeit zum Schlafen, furchtbares Essen und ein Tourmanager dessen Lieblingssatz „Quick, quick!“ ist. Das alles zerrt doch sehr an unseren Kräften.
Unser wohlverdientes KFC Frühstück im Flughafen wird durch Ray auch bereits wieder nach dem ersten Happen beendet, weil wir plötzlich „Quick, quick“ einen Bus erreichen müssen.
Die Fahrt in die City zu unserem Hotel dauert weitere 1,5 Stunden. Wir wohnen im 16. Stockwerk in einem Schimmelpalast. Dies war jedoch eine Ausnahme, da sämtliche anderen Hotels auf der Tour ziemlich OK waren.
Wuhan ist angeblich Punkrockcity und auch Heimat, der in Europa ziemlich bekannten, SMZB.
Der Club befindet sich im gleichen Haus wie das Hotel, genau wie der Wuhan Prison Store. Ein feiner kleiner 2nd Hand Laden von Punks und Skins. Der Chef, der der kleine Bruder von Lou Ferrigno sein könnte, erzählt, dass es der einzige 2nd Hand Laden in ganz China ist und er auch der einzige ist, der offiziell Proberäume an Bands vermietet. So sind hier in den Nebenräumen über 20 Bands zu Hause.

Vorm Soundcheck gehen wir noch mit Ray und Lou zum essen. Ray hat mittlerweile begriffen, dass er humanere Dinge für uns bestellen muss. Der Knorpelgeschmack vom ersten Tag hängt uns nämlich noch immer in Hals.
So gibt es Reis, einen zwar scheußlich aussehenden aber wirklich leckeren Fisch und verschiedene Fleischbeilagen.

Der Club ist wieder sehr gut und wir vertreiben uns die Zeit am Billardtisch. Schließlich beobachten wir, wie die Putzfrauen immer wieder ihre Wischmops mit Wasser aus den Stehklos nass machen um anschließend den gesamten Boden damit zu wischen. Pingelig darf man hier wirklich nicht sein.

Wirklich viele Punks lassen sich in dieser angeblichen Hochburg aber auch nicht blicken. Auf Björns Frage, wo denn die ganzen Leute wären, erhält er nur einen verständnislosen Blick und die Antwort, was er denn erwarten würde, schließlich würde es doch regnen.
Ja, so ist das. Der gemeine Chinese geht bei Regen nicht vor die Tür, wenn er nicht unbedingt muss.

Dennoch, so sehr einem die Lust tagsüber oft durch den ganzen Stress vergeht, sobald wir auf der Bühne stehen macht es gleich nach den ersten paar Akkorden richtig Spaß, so auch Heute. Die Leute Feiern mit uns. Es sind Gäste aus Deutschland, Amerika, Mexiko, Russland und Polen anwesend, viele Studenten. Uli hat am Merchstand einiges zu tun und ich gönne mir einen Cuba Libre mit viel, viel Libre.

Hier gibt es alles, Bitburger, Warsteiner, Jägermeister. Doch Tsingtao schmeckt unserer Meinung nach am Besten und ist zudem spottbillig.
So kaufen wir noch eine Kiste für 3,50 Euro und treffen uns zum Pokern in unserem Hotelzimmer.
Ray spielt auch mit. Aber der Knabe ist einfach zu unruhig. Sobald man einmal 5 Sekunden überlegt, macht er gleich Hektik. „Come on, quick, quick!“ Aber wir haben eh kaum noch Energie und nach dem ersten Bier fallen uns die Augen zu.

Montag, 16. Februar 2009

Diesen Tag gibt es in meinen Erinnerungen fast gar nicht. Wir haben einen „day off“, den einzigen auf der ganzen Tour. Wir haben uns darauf gefreut wie auf ein Wochenende. Endlich einmal mehr als 4 Stunden Schlaf und Kräfte tanken.

Während ich dusche, kommt Hannes das essen zum wiederholten Male wieder hoch. Da ich abgeschlossen habe bleibt ihm keine andere Wahl, als ordentlich aus dem 16. Stock aus dem offenen Fenster auf die verkehrsreiche Strasse zu brüllen. Glückwunsch!

Hannes und ich bleiben den ganzen Tag im Bett und schlafen. Die Anderen raffen sich hingegen auf und besichtigen einige historische Bauwerke der Stadt. Uli bekommt auch endlich seinen Hot Pot zu essen, was nun auch die allerletzten Grenzen zur Widerlichkeit überschreitet.

Dienstag, 17. Februar 2009

Wir müssen um 6 Uhr aufstehen. Nur von Ray nirgends eine Spur. Der Gute war gestern noch saufen und hat verpennt. Diesmal drehen wir den Spieß um, rütteln an seiner Tür und rufen „Quick, quick!“.
Kirsten ist heilfroh endlich aus dem Schimmelpalast zu entkommen. Am riesigen Bahnhof dann wieder Probleme. Die Taxifahrer haben uns an unterschiedlichen Stellen raus gelassen und es dauert eine gute halbe Stunde, bis wieder alle zusammen sind. So schaffen wir es gerade noch so unseren Zug zu erwischen.
Die Fahrt nach Nanchang (4,5 Millionen Einwohner) ist verhältnismäßig entspannt, auch wenn man zu viert auf Dreierbänken sitzt und die Gänge überfüllt sind.
Dann fängt die Frau neben uns, die schon die ganze Zeit wie wild am schwitzen ist, an, ihren Mageninhalt auf dem Boden zu verteilen. Leute laufen hindurch, oder setzen sich sogar hinein in die Lache, die in regelmäßigen Abständen immer wieder aufgefüllt wird. Es ist so Ekel erregend und wir können nur hoffen uns nicht mit irgendetwas anzustecken.
Die Landschaft draußen wird zwar langsam etwas grüner, aber wärmer wird es noch immer nicht. Das schlechte, nasskalte Wetter reist mit uns mit. Überall hören wir von den Leuten, dass sie zwei Tage zuvor noch mit dem T-Shirt im Freien waren. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, und vertrauen auf die Tage im Süden.
Unser Hotel ist wieder sehr ordentlich und der Club gleich um die Ecke. Genau wie ein Supermarkt, den wir aber übersehen und stattdessen auf der Suche nach etwas Nahrung durch die Stadt irren.
Die vierte Bank, die wir ansteuern, ist dann auch endlich bereit uns etwas Geld umzutauschen.
Das Konzert ist wieder super. Der Laden rappelvoll und die Umgebung mit dem riesigen See direkt vor der Tür wäre fantastisch, wenn das Wetter nur besser wäre.
Wir müssen wieder zahlreiche Autogramm- und Fotowünsche erfüllen und auch heute haben sich ein paar Deutsche auf das Konzert verlaufen.
Mittlerweile haben wir keine Ahnung was die letzte Woche in der Welt passiert ist. Ausländische TV-Sender und Tageszeitungen sind noch immer in großen Teilen des Landes verboten und aus den chinesischen Nachrichten wird man verständlicher Weise nicht schlau.
Internetverbindungen laufen in der Regel auch nur über ein 56k Modem, was ebenfalls einiges an Nerven kostet, bis man es ganz lässt.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Es geht weiter nach Changsha (2,1 Millionen Einwohner). Diesmal mit dem Bus. Im Hotel wieder das alte Spiel. Wir werden angetrieben, dass wir uns beeilen müssen, um anschließend wieder 1,5 Stunden am Busbahnhof zu warten.
Auch diese haben mehr Ähnlichkeit mit einem Flughafen, als mit einem Busbahnhof wie wir ihn kennen. In der Wartehalle gibt es einige Geschäfte, so dass wir in Ruhe und vor allem nach unseren eigenen Wünschen Frühstücken können.
Der Bus ist nur zu einem Viertel besetzt, dennoch bekommen wir bestimmte Plätze zugewiesen, die wir auch nicht wechseln können. Eine völlig sinnlose Regelung.
Die Autobahnen sind völlig frei. Kaum ein Auto kommt uns entgegen. Der Bus  fährt nonstop nach Changsha und hält lediglich an einer Raststädte zum Mittagessen.
In dieser stinkt es wieder einmal furchtbar. Selbst Ray scheint es hier zu eklig zu sein, wogegen die anderen Mitreisenden sich ihre Bäuche voll schlagen.
Weiter geht’s. Im Großen und Ganzen ist die Fahrt recht angenehm. Mir gelingt es sogar für ein paar Minuten die Augen zu schließen und zu schlafen, etwas was mir während der Zugfahrten leider nie gelungen ist. Doch auch im Bus kann man über einiges nur mit dem Kopf schütteln.
So spukt der Busfahrer, nach einem beachtlichen Grunzen, im Minutentakt in den Treppenaufgang, in dem mit der Zeit einiges zusammenkommt. So ist es von Nöten beim Aussteigen ein paar Stufen zu überspringen, um nicht den ganzen Rotz an den Schuhen zu haben. Von dem barfüssigen Typen vor mir, der seine völlig verdreckten Mauken gegen die Fensterscheibe lehnt ganz zu schweigen.
Für Heute haben wir kein Hotel, da es im Anschluss an die Show direkt mit dem Nachtzug weiter Richtung Süden geht. Der Sonne entgegen.
Nachdem Ray uns erzählt, dass er geplant hat, dass wir die ganze Nacht in einem normalen Waggon sitzen müssen, schlagen wir aber Alarm. Das kann er mal ganz schnell vergessen. Schlafwagen!!! Was anderes ist definitiv nicht akzeptabel. Und nach einigen Telefonaten kann er uns auch letztendlich beruhigen und hat alles arrangiert.
Nach einem Besuch bei KFC gehen wir gleich in den Club, wo wir noch ein paar Stunden mit Billard spielen relaxen können.
Anhand der Plakate sehen wir, dass wir durchaus nicht die einzigen Europäer sind, die hier spielen. So fällt mir unter Anderem ein Plakat von den Kollegen von Skarface ins Auge.
Nach der guten Show kommen wir an der Bar mal wieder mit ein paar Deutschen, sowie einem Belgier ins Gespräch, die für Bosch arbeiten. Und so redet man über Deutschland, China und natürlich Fußball.
Ray hat schon wieder drei Bier getrunken und ist gut dabei. Wenig später müssen wir weiter zum Bahnhof.
Oh je. Das kann was werden. Der Nachtzug ist erwartungsgemäß völlig überfüllt. In den Waggons, die Ray eigentlich für uns vorgesehen hatte stapeln sich die Menschen übereinander auf den Bänken auf dem Boden, einfach überall. Zudem stinkt es extrem. Gott sei Dank bleibt uns das erspart. Wobei es in den Schlafwagen nicht viel besser aussieht. Auch hier liegen die Menschen zusätzlich auf dem Boden.
Unsere Betten sind alle einzeln über mehrere Waggons verstreut. Mein Bett, welches aus einem Holzbrett einer dünnen Auflage und einer gebrauchten Decke besteht, ist ganz oben in der dritten Etage. Eine Leiter gibt es nicht. So muss man über die Betten fremder, schlafender Chinesen klettern, um sein Ziel zu erreichen. Es ist eng, warm und laut, aber dennoch bin ich heilfroh zu liegen und kann sogar ein paar Stunden schlafen.

Donnerstag, 19. Februar 2009

Nach neun Stunden Fahrt erreichen wir Guangzhou. Wir steigen aus dem Zug und …. Endlich! Das Thermometer zeigt 26 Grad. Jacken und Pullover aus! Es ist Sommer. Am Ziel sind wir jedoch noch nicht, da zwei Shows getauscht wurden und wir noch eine Stunde weiter nach Shenzhen (6,5 Millionen Einwohner) fahren müssen. Wir sind wieder in einer völlig anderen Welt gelandet. Hier im Süden ist vieles sehr viel angenehmer.
Im Hotel angekommen fühlen wir uns ein bisschen wie im Paradies. Palmen so weit das Auge reicht. Parks, Grünflächen, freundliche Menschen. Es ist wie im Urlaub. Der Stress der letzten Tage ist bei einem kühlen Bier unter Sonne und Palmen fast vergessen.
In einem angrenzenden riesigen Park vergessen Hannes, Noppi und ich, nicht ganz unabsichtlich, die Zeit und kehren erst mit 45minütiger Verspätung zum Hotel und dem wartenden Ray zurück. Der auch prompt dafür sorgt, dass wir uns nicht zu sehr entspannen und uns gleich in den Taxi zum Club scheucht.
Hier haben wir logischer Weise, wie sollte es auch anderes sein, wieder massig Zeit und können die Einkaufstrasse entlanglaufen. In einem Geschäft kauft sich Hannes eine riesige Plüschkatze, die es ihm schon in Peking angetan hatte und muss diese nun die letzten drei Tage mit sich rumschleppen. Björn hingegen findet in einem Musikladen endlich die benötigte Stange fürs Schlagzeug und kann nun endlich mit seiner Doppelfußmaschine spielen.
Das Konzert ist wirklich sehr merkwürdig. Im ganzen Club, auch direkt vor der Bühne, stehen vollbesetzte Tische und Stühle. Sowohl mit Jungendlichen aber auch mit etlichen älteren Herren in Begleitung junger Damen. Die „Vorband“ spielt original 80er Jahre Pornomusik. Wir fühlen uns irgendwie fehl am Platz. Doch auch Napalm Death haben hier vor demselben Publikum gespielt, also los.
Und es hat tatsächlich wieder Spaß gemacht, so kurios die Show auch war. Letztendlich fanden sich sogar noch einige Leute ein, die sich von ihren Tischen erhoben und tanzten.
Als wir die Bühne verlassen, glauben wir erst gar nicht was wir hören. Es läuft plötzlich Tarkan in voller Lautstärke. Der DJ freut sich derweil ein drittes Ei und wedelt mit einer CD Deutscher Chart Hits herum. Hehe, dachte der Kollege doch Tarkan singt deutsch und er würde uns damit eine Freude machen. Na ja, er hat es versucht.
Dann geht es auch schon schnell wieder ins Hotel und ins Bett und wir sind etwas traurig, dieses schon Morgen früh wieder verlassen zu müssen, so schön es hier doch ist.

Freitag, 20. Februar 2009

Verhältnismäßig gut ausgeschlafen und bei sommerlichen Temperaturen fahren wir zurück nach Guangzhou (9,5 Millionen Einwohner). Als wir schließlich unser Hotel erreichen stehen wir vor einem Gebäude ohne Fassade und inmitten einer Baustelle.
Eine gewisse Verzweiflung bzw. Hilflosigkeit lässt sich plötzlich in Rays Gesicht erkennen. Doch es stellt sich heraus, dass das Hotel trotzdem geöffnet ist. Wir müssen uns durch den Bauschutt hindurch und an den Arbeitern vorbei zu einem Fahrstuhl durchkämpfen, der uns in den dritten Stock befördert. Auch hier wird gearbeitet. Terpentingeruch liegt in der Luft, gegen den die riesigen Ventilatoren, die in den Fluren stehen, anzukämpfen versuchen.
Die Zimmer sind jedenfalls sehr in Ordnung.
Der Club ist auch heute bequem zu Fuß zu erreichen. Auf dem Weg Falle ich noch in ein bekanntes Sandwichrestaurant ein. Was für eine Geschmacksexplosion. Richtiges Brot, frischer Salat. Es soll nicht der einzige Besuch des Tages bleiben.
Der Club ist ähnlich wie am Tag zuvor. Wieder stehen viele Tische im Saal, sowie auf der schönen Galerie.
Wir lernen einen französischen Skinhead kennen, der uns erzählt, dass viele von dem Tausch der beiden Shows in Shenzhen und Guangzhou nichts wüssten und wir bezweifeln, dass es besonders voll wird.
Trotzdem ist der Laden am Ende sehr gut gefüllt und wir haben wieder unseren Spaß. Held des Abends war aber definitiv der Bassist der Vorband. Er stellte seinen Bass auf den Amp, und spielte wie auf einem Kontrabass, wobei er dem Publikum die gesamte Show den Rücken zuwand. Spielerisch war es absolut topp, trotzdem sah das Ganze natürlich ziemlich lächerlich aus.
Seit zwei Wochen sind wir nun fast schon unterwegs. Nicht ein einziges Mal sind wir jedoch dazu gekommen, richtig zu feiern. Eine Schande. Der Stress und die damit verbundenen Anstrengungen waren einfach zu enorm. Außer Zügen, Hotelzimmern und Clubs, haben wir auch so gut wie gar nichts von dem ganzen Land gesehen, was sehr schade ist, aber der Tourplan ließ das einfach nicht zu. Heute jedoch lassen wir es mal ein bisschen krachen. Das Wetter sorgt schließlich für gute Laune und Hongkong, auf das wir uns alle sehr freuen, liegt nur eine Stunde von uns entfernt.
Gut angeheitert machen wir uns schließlich auf den Weg zum Hotel. Hannes will noch bleiben, aber er kennt ja den Weg.
Da ich jedoch aufgrund diverser Getränke schlafe wie ein Murmeltier höre ich nicht, wie er nachts wie verrückt an die Zimmertür hämmert, die ihm letztendlich doch noch vom freundlichen Personal geöffnet wird, nachdem er die komplette Etage, außer mich, wach gebrüllt hat.


Samstag, 21. Februar 2009

Mit einem ICE-ähnlichen Zug geht es nach Hongkong. Hier gibt es noch immer Grenz- und Zollkontrollen, was Ray zunächst zum Verhängnis wird. Menschen aus dem Norden Chinas, sind hier ohnehin schon nicht besonders gern gesehen, aber wenn diese dann auch noch bunte Haare und Lederjacken tragen, wird man besonders skeptisch. So will man unseren immer grinsenden Freund die Einreise verwehren. Es dauert fast eine Stunde, bis man ihn doch endlich die Grenze überqueren lässt.
Am Bahnhof werden wir von einem Typen zum Essen eingeladen. Es gibt Spaghetti, Glück gehabt. Wir wollen eigentlich so schnell es geht in die Stadt, aber plötzlich hat Ray die Ruhe weg. Der Typ stellt sich nämlich als der Eigentümer, des größten Internetmusikmagazins des Landes heraus und Ray hat viel mit ihm zu bereden.

Nach einiger Zeit geht es endlich mit der U-Bahn Richtung City, wo wir uns mit Ross, einem Freund von Uli treffen.
Dieser ist Engländer und betreibt in Hongkong mit seiner Freundin das Star Crossed Tattoostudio. Er hat hier alles für uns organisiert.
Untergebracht sind wir im legendären Chungking Mansions Hotel, welches dem ein oder anderen vielleicht aus dem Film Chungking Express bekannt ist. Alles ist kleiner als klein, aber das stehen wir jetzt auch noch eine Nacht durch.

Ray ist mittlerweile ganz Kleinlaut geworden und läuft nur noch artig hinter Ross her, ohne uns fortwährend rumzuscheuchen. Hier ist alles eher „easy-going“ statt „Quick, quick!“
So warten wir im Anschluss auch noch eine Ewigkeit in Ross’ Tattoostudio, bis dieser endlich fertig ist und wir, zur nicht weit entfernten Hafenpromenade gehen können, um die gigantische Skyline zu bestaunen.
Die ganze Stadt ist toll. Bunt beleuchtete Strassen, überall Geschäfte und Pubs sowie Menschen aus aller Welt, die friedlich zusammen Leben.
Hier könnt man es echt aushalten.
Wir kommen auch endlich dazu Postkarten für die Lieben daheim zu besorgen und etwas shoppen zu gehen.
Der Club für heut Abend ist eigentlich nur eine kleine Bar, die schon zu Beginn der Show aus allen Nähten platzt. Wir spielen zusammen mit Defiant Scum, die sogar einen deutschen Drummer haben, und Oi! Squad. Allesamt multikulturelle Bands bestehend auch Chinesen, Amerikanern, Australiern, Engländern, Franzosen und eben Deutschen. Alle sind verdammt nett und wir verstehen uns super. Die Musik ist ebenfalls erste Klasse. Man könnte meinen, man wäre in England. Traditionelle englische Oi! Musik. Ein Erbe der Kolonialzeit. Sehr geil.
Das Publikum könnte kaum gemischter sein, wobei die Chinesen hier deutlich in der Unterzahl sind.
Auf der „Bühne“ ist kaum Platz, ständig fliegen tanzende Leute zwischen uns hindurch. Ein toller Tourabschluss.
Zur Aftershowparty, schließlich wollen wir heut noch mal richtig Gas geben, gehen wir mit den Oi! Squad Leuten, Ross und einigen anderen in das um die Ecke liegende „Amazonia“.
Am ehesten ist dieses Etablissement wohl mit dem Titty Twister aus „From dusk till dawn“ zu vergleichen. Die Hälfte des Publikums besteht aus philippinischen Nutten, die andere Hälfte aus fetten besoffenen Australiern, ein paar Touristen und UNS!
Die absolut geniale Band begrüßt uns gleich mit Namen, als sie uns reinkommen sieht. Und spielt einige Rockklassiker in absoluter Perfektion, bevor unsere Wünsche entgegengenommen werden und von Cock Sparrer und Cockney Rejects über Ramones bis hin zu The Clash alles, ebenfalls Perfekt, gespielt wird. Letztendlich finde ich mich tanzend auf der Bühne wieder bevor ich an einem Tisch zusammensacke und mich ins Reich der Träume verabschiede.
Was für ein Abend.

Sonntag, 22. Februar 2009

Der letzte Tag. Heut Abend geht es wieder Richtung Heimat. Die letzten drei Tage im warmen Süden haben noch einmal richtig Spaß gemacht und der Schädel brummt.
Heute bleiben wir bis zum Abflug noch in Ross’ Studio, wo sich Kirsten, Björn und Noppi tattoowieren lassen.
Hannes, Ray und ich schauen währenddessen Musik DVDs und spielen mit Ross’ kleinen Babychiwawas.
Dann müssen wir uns verabschieden, was ich ja immer hasse. Aber da wir schnell in den Airportshuttle einsteigen müssen, bleibt Gott sei Dank keine Zeit für rührende Abschiedsszenen und ich bleibe diesmal recht gefasst.

Auch wenn es im Großen und Ganzen eine verdammt stressige Tour war und wir so gut wie nichts vom Land gesehen haben und kaum gefeiert haben, so ist es doch eine Erfahrung, die niemand von uns missen möchte.

By Dole (Combat 77)

Wir bedanken uns bei:  Ray & Gao (Kids Union Records & Booking), No Name, Mi San Dao, Gum Bleed, Wuhan Prison Shop Crew, Ross & Star Crossed Tattoos, Defiant Scum, Oi! Squad und allen die wir vergessen haben!!!
Danke!!!