Riot Company – Indonesia Tour 2008
04.03. – 24.03.2008
Dienstag, 04.03.2008
Es ist Dienstag, sieben Uhr in der Früh. Ich habe soeben meinen Nachtdienst beendet und sitze im Auto. Neben mir auf dem Beifahrersitz, ein wie nicht anders zu erwarten, verkaterter Ronny Riot. Aber ich bin trotzdem voll des Lobes, da ich nur gute 10 Minuten benötige um den werten Herren aus seinem Bett zu klingeln und in mein Auto zu befördern. (Da hatten wir schon ganz andere Tage – Nicht wahr, mein Lieber!?!). Vor meiner Haustür wartet bereits ungeduldig der Rest unserer Reisegruppe (Hannes, Sascha und Victoria). Endlich geht es los in den Dschungel Süd-Ostasiens, genauer gesagt nach Indonesien. Aber wie kam es überhaupt zu so einer ja doch nicht ganz alltäglichen Tour? Ein kleiner Rückblick.
Bis Weihnachten 2007 stand für diesen Zeitraum eine Tour entlang der US-Ostküste auf dem Programm. Da es aber zu einigen Problemen mit dem Booker kam, mussten wir diese auf Ende 2008 verschieben (mehr dazu demnächst).
Nun war guter Rat teuer, schließlich hatten wir alle Urlaub beantragt, den wir nicht ungenutzt verstreichen lassen wollten.
Die Lösung des Problems lag aber eigentlich auf der Hand, da das Angebot einer Tour durch Indonesien schon länger bestand. Unsere Kollegen aus Hannover (u. A. Lion Shield) pflegten schon seit einiger Zeit eine innige Freundschaft mit Leuten und Bands aus der Region und kamen regelmäßig ins schwärmen wenn sie von Land und Leuten erzählten. Also schnell Leif kontaktiert und 4 Tage später stand fest, dass die Company ans andere Ende der Welt fliegt. 21 Tage mit 8 Shows quer über Java bis Bali und reichlich Zeit dazwischen um das Land zu entdecken und auch ein paar Tage Urlaub zu machen.
Also los. Die Treckingrucksäcke im Auto verstaut und ab Richtung Frankfurter Airport.
Nach dem Einchecken Verwunderung. Das kann doch nicht wahr sein, dass es nun keine Möglichkeit mehr gibt auf die Toilette zu gehen oder einzukaufen (vorzugsweise Bier)? Das haben wir ja noch nie erlebt. Ist das nur in FFM so? Nun ja, mit 30 Minuten Verspätung erhebt sich der Flieger gegen 15 Uhr in die Lüfte. Niemand von uns weiß genau, was uns die nächsten drei Wochen erwartet. Die Tragödie in Bandung vor zwei Wochen, bei der elf junge Menschen während eines Konzerts zu Tode gekommen sind, und die Unruhen auf Lombok tragen ihr übriges bei. Aber natürlich überwiegt die Vorfreude auf eine Zeit, die man wohl niemals wieder vergessen wird.
An Bord der Emirates Maschine ist für alles gesorgt. Jeder Sitzplatz hat einen eigenen Bildschirm mit hunderten von Spielereien wie Kinofilmen, TV-Serien, Videospielen, Musikalben, Radio und vielem mehr. Zur allgemeinen Freude ist auch Bier und Wein an Bord umsonst, so dass die Servicelämpchen über unseren Plätzen regelmäßig aufleuchten um die Stewardessen um weitere Heinekenbüchsen zu bitten.
An diesem Punkt stellt sich mir die Frage, wozu es Sicherheitskontrollen am Flughafen gibt, wenn an Bord Metallbesteck gereicht wird und auch die guten alten Blechdosen mit den messerscharfen Abreißschnallen serviert werden. Ich weiß es nicht.
Ich entschließe mich mit einem Film die Zeit zu überbrücken. „No country for old men“, aber irgendwie bin ich doch zu hibbelig um dem Film zu folgen. Immer wieder schau ich aus dem Fenster oder auf den Bildschirm wo wir uns denn gerade befinden. Iran. Hm – interessant.
Hannes kümmert das alles weniger. Er amüsiert sich prächtig und zieht sich eine Folge Simpsons nach der anderen rein. Sascha und Vicky schauen irgendeinen Märchenscheiß und Ronny, na ja, er trinkt um gegen seine Flugangst anzukämpfen.
Mittwoch, 05.03.2008
Gegen 0 Uhr Ortszeit der erste Zwischenstopp in Dubai. Drei Stunden Aufenthalt. Also ordern wir für humane 10 Euro 12 Büchsen Heineken. Überall liegen Menschen auf dem Boden und schlafen. Wir setzen uns irgendwo dazwischen und merken, dass es hier gar nicht erlaubt ist in der Öffentlichkeit zu trinken. Na super, aber immerhin können wir die Büchsen mit nach Jakarta nehmen. So bleibt uns aber nichts anderes übrig als für teures Geld ein Bier in einem Airport Pub zu trinken.
Weiter geht es quer über Indien bis zum nächsten Stopp in Kuala Lumpur (Malaysia). Leichte Enttäuschung, weil wir nicht aus dem Flieger raus dürfen. So bleibt uns nur der Blick aus dem Fenster auf den direkt ans Rollfeld angrenzenden Dschungel.
Endlich geht’s weiter. Noch 1,5 Stunden. Um 16:30 Uhr Ortszeit dann die Landung in Jakarta. Alle sind gespannt. Es folgt ein kaum enden wollender Gang durch etliche Kontrollen. Glücklicher Weise gibt es keinerlei Probleme wegen der mitgebrachten CDs und all dem anderen Krempel. Also, nix wie raus, vorbei an Massen von extrem aufdringlichen Taxifahrern direkt in die Arme der bekannten Gesichter die dort auf uns warten. Auch wenn man sich bisher nur über das Internet kennt, es ist sofort klar. Mit Pentul, Awan und Andrash passt das schon mal zu 100 %. Draußen trifft uns die Hitze und der Smog, der in einer riesigen Dunstglocke über Jakarta hängt, wie der Schlag. So zaubern wir schnell das in Dubai gekaufte Bier aus den Rucksäcken und verteilen es.
Nach 1,5 Stunden kommt dann auch Kiki, dessen Heim auch unseres während der Tage in Jakarta sein soll, mit dem zweiten Wagen und wir können aufbrechen.
Schnell wird klar, wer noch nie in Jakarta Auto gefahren ist, der hat noch nie richtig gelebt. Verdammt, was geht hier ab? Sind die alle wahnsinnig? Die Fahrt zur Behausung dauert an die zwei Stunden. Ich bin mir nicht mehr so ganz sicher ob es die Hitze ist, die mir den Schweiß auf die Stirn treibt oder die Fahrweise der Einheimischen. Kurz gesagt, es fährt eigentlich jeder so, wie es ihm gefällt. Jeder drängelt und hupt alle zehn Sekunden mindestens einmal. Ein System oder selbst so etwas wie ein geordnetes Chaos lässt sich für mich zu diesem Zeitpunkt nirgends erkennen. 3-spurige Strassen werden scheinbar willkürlich zu 5 oder gar 6-spurigen umfunktioniert und zwischen den Automassen schlängeln sich Unmengen von Motorrädern hindurch, was einen Touch von Harakiri hat.
Wir halten noch schnell zum Geld tauschen und Bier kaufen und finden uns dann endlich im Bretel HQ ein. Ein Begrüßungskomitee ist bereits anwesend und es wird sich gegenseitig beschnuppert. Auch hier wissen alle schnell. Das passt perfekt.
Nach zwei „Bierchen“ (0,62 Liter Flaschen) und etwas Black wine gibt es Bescherung und wir holen unsere und die von den Kollegen aus Hannover mitgegebenen Geschenke aus den Rucksäcken. Pentul, der uns übrigens die komplette Tour begleiten wird, bekommt leuchtende Augen als ich ihm seinen so sehnlich erwarteten Kirschschnaps in die Hände drücke und wird diesen auch den Rest des Abends nicht mehr loslassen.
Aber die vergangenen 1,5 Tage waren verdammt anstrengend, so dass wir bald unsere Quartiere aufsuchen.
Donnerstag, 06.03.2008
Moskitos die um mein Ohr herumschwirren holen mich aus den Träumen. Was für eine Hitze! Neben mir im Bett liegt Ronny, Hannes auf einer Matratze daneben. Wir haben ein kleines Zimmerchen mit Bad (Stehklo und Wasserbehälter) außerhalb des Haupthauses. Sascha und Vicky, die für diese drei Wochen mal eben verheiratet spielen, schlafen im etwas kühleren Haus. 6 Uhr morgens. Normalerweise bekommt mich um diese Zeit niemand aus dem Bett, aber da draußen auf der Terrasse bereits wieder Stimmen zu hören sind und eh nicht mehr an schlaf zu denken ist, kipp ich mir ein paar Kellen Wasser über den Schädel und geh auch hinaus.
Pentul, Kiki, Fanny und Co sind bereits schon wieder auf den Beinen und so machen wir das, was wir eigentlich immer machen, wenn wir nichts zu tun haben. Wir sitzen auf der Terrasse, reden über Punk in Deutschland und Indonesien, irgendjemand spielt Gitarre und wir genießen ganz einfach die Zeit unter den Palmen und Bananenbäumen die im Garten stehen.
Nach und nach stoßen auch die restlichen Teutonen hinzu und wir beraten was wir heut unternehmen können.
Die Wahl fällt auf das National Monument (Monas) in der City. Es wimmelt nur so von Schulklassen um den 132 Meter hohen Turm, inmitten des Unabhängigkeitsplatzes, herum. Für viele Schulmädchen scheinen wir eine größere Attraktion zu sein als ihr eigentliches Ausflugsziel. Also nix wie rauf auf den Turm. Oben wird uns erstmals die unglaubliche Größe dieser Stadt bewusst. Häuser soweit das Auge reicht, umgeben von einem Mantel aus Auto- und Industrieabgasen.
Es ist 16.30 Uhr. Wir müssen wieder zurück ins HQ, da wir uns von 18 -20 Uhr im Proberaum um die Ecke eingemietet haben. Der Raum ist angenehm kühl und voll ausgestattet. Für umgerechnet 2 Euro die Stunde können wir hier soviel Lärm machen wie wir wollen. Die Gitarren sind O.K., haben allerdings viel zu kurze Gurte, so dass wir sie uns so zusagen unters Kinn schnallen müssen. Leider haben die Indonesier eine extreme Affinität zu Effektgeräten, die es unmöglich machen, mal eben auf die schnelle einen halbwegs vertrauten Sound einzustellen. So klingt alles sehr grell und extrem verzerrt, wie eigentlich fast immer in den nächsten drei Wochen. Aber was soll’s. Wir spielen einmal das Set durch und finden uns ein wenig später mit reichlich Bier zu einer netten Pokerrunde auf der Terrasse des HQ’s zusammen. Jeder darf einmal gewinnen, mit Ausnahme von, unserer Casino erfahrenen Pokerikone, Ronny. Tja, that’s life.
Die Nacht wird ziemlich lang und das nahe gelegene Kiosk das ein oder andere Mal unser Ziel. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass der gute Pentul die riesigen Kakerlaken, die uns des Öfteren besuchen, und auch sonstiges Getier wie Spinnen usw. total süß findet, er aber panische Angst vor den kleinen knuffigen Geckos hat, die ständig die Wände hoch und runter sausen. Seine Freunde wussten von seiner Phobie bisher noch nichts, doch von jetzt an versuchen sich alle in der Geckojagt um den armen Jungen zu ärgern.
Freitag, 07.03.2008
Trotz langer Nacht und viel Bier – Hitze und Moskitogesumme lassen auch diesmal nicht mehr als 3-4 Stunden Schlaf zu. Glücklicher Weise scheine ich aber gegen diese Blutsaugenden Quälgeister irgendwie resistent zu sein. Ich werde weitaus weniger gestochen als die anderen vier und die Stiche die ich abbekomme jucken überhaupt nicht, während der Rest aus dem Kratzen nicht mehr hinaus kommt.
Pentul erzählt, dass er gestern Nacht noch gesehen hat, wie 50m von uns entfernt in der Seitengasse, jemand mit abgeschlagenem Kopf auf der Strasse lag. Gangstreitigkeiten wahrscheinlich. Jeder macht sich so seine eigenen Gedanken.
Morgen und Nachmittag verbringen wir wieder im HQ. Zum Essen gibt es Reis – wie immer. Wobei die Beilagen des Öfteren variieren. Bis auf Hannes, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen McDonalds, kommt das Essen bei uns Anderen aber sehr gut an und auch meinem Magen geht es so gut wie schon lange nicht mehr.
Morgen ist die erste Show in Indramayu. Wir wollen am späten Abend bereits aufbrechen. So sammeln wir uns vorher im Anti Music Shop von Eko. Dieser ist gerade dabei unsere Tourshirts zu drucken und was Punk angeht einer der Pioniere in Indonesien. Neben dem Shop spielt er noch in Jakartas erster Punkband The Idiots. Überhaupt scheint hier jeder in einer Band zu spielen oder irgendetwas anderes für die Szene zu machen. Etwas, was bei uns ja leider rückläufig zu sein scheint und viele lieber nur konsumieren und rummeckern, statt selbst was auf die Beine zu stellen. Hier bereitet es den Leuten riesigen Spaß Punk zu leben, Punk zu sein und immer weiter voranzubringen. Es ist alles so verdammt erfrischend, alles so pur.
Aus dem Supermarkt nebenan gibt es noch ein paar kalte Bier, die wir an die Jungs verteilen. Bier ist hier verhältnismäßig teuer (0,62 Liter ca. 1 Euro), weshalb man hier vorzugsweise billigen Wein trinkt. Schmecken tut es aber ähnlich gut wie bei uns zu Haus. Bintang und Anker sind die einzigen Einheimischen Sorten die man bekommt und beide sind sehr lecker.
Mit zwei vollbesetzten Jeeps machen wir uns schließlich auf den Weg nach Indramayu City. Eko fährt wie der Teufel und wir sind unendlich froh, dass der Großteil der Tour mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestritten wird. In Deutschland hätte dieser Helldriver seinen Lappen für keine 10 Minuten. Ein dutzend Mal seh ich mich schon auf dem Weg Richtung Hölle, bevor er doch noch irgendwie ausweichen kann. Eine Autofahrt, wie sie von uns noch keiner erlebt hat, und bei der noch dazu immer wieder dieselbe Kassette läuft. Aber was soll’s. Wir leben noch.
Nach drei Stunden erreichen wir Indramayu. Eine für indonesische Verhältnisse recht kleine Stadt (120.000 Einwohner) in West-Java. In unserer Unterkunft, einem Haus am Stadtrand, warten bereits an die zehn Punks auf uns. Wir würden eigentlich gern ins Bett gehen, aber aufgrund des Lärmpegels ist daran noch nicht zu denken. So gibt es noch einmal eine Portion Reis. Eko unterhält mittlerweile das komplette Haus und wir lernen die ersten unanständigen indonesischen Worte.
Samstag, 08.03.2008
Nun ist es soweit, die erste Show der Tour. Sascha und Vicky hatten mal wieder das Zimmer mit Ventilation abbekommen und waren daher wieder etwas ausgeschlafener als wir, die sich zu fünft mit einem Doppelbett arrangieren mussten. Das Konzert heute beginnt schon gegen Mittag. 25 Bands stehen auf dem Flyer und so drängen wir darauf doch endlich zum Veranstaltungsort zu fahren, um einige davon sehen zu können. Doch man sagt uns, dass das noch nicht gehen würde. Weshalb verstehen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Gegen 15 Uhr geht es los. Aufgrund der Tragödie in Bandung hatten die Veranstalter Probleme eine geeignete Location für das heutige Konzert zu finden, wurden aber schließlich auf einer Reisfarm fündig. Umso näher wir der Location kommen umso mehr füllen sich die Strassen mit Punks. Wo kommen die alle her? Wahnsinn. Als die Jeeps vor einem Nebenraum stoppen wollen wir aussteigen, werden aber sofort zurückgepfiffen. „Don’t open the door!“ Fragezeichen über unseren Köpfen. Schließlich erhalten wir eine Einweisung. Jeder von uns bekommt 2 Sicherheitsleute zugeteilt an die wir uns zu klammern haben. Sobald die Türen vom Auto aufgehen, sollen wir schnellstmöglich durch die 5m entfernte Tür in den Nebenraum verschwinden. Wir kommen uns alle vor wie im falschen Film, wir sind ja schließlich nicht Tokio Hotel. Dann gehen die Türen auf. „Hurry up!!!. Go, go, go!!!“ Hunderte von Kids fangen an zu johlen und stürmen auf uns zu! Oh, mein Gott!!! Wir laufen in den Nebenraum und die Tür wird hinter uns verschlossen. Vor der Tür Punkkids soweit das Auge reicht. Wir sind sprachlos und schauen uns geschockt an. Das haben wir nicht erwartet. Es ist regelrecht beängstigend. Da sollen wir raus? Verdammt, dass ist ja wirklich wie Tokio Hotel!!! Uns bleiben zehn Minuten um unsere Gedanken zu ordnen, dann müssen wir auf die Bühne. Es gibt keinen Backstageeingang, so müssen wir einmal quer durch die ganze Halle. Wieder bekommt jeder seine Sicherheitsleute zugeteilt und los geht’s. Wir betreten die Halle und wieder ertönt ohrenbetäubender Applaus und Geschrei. Die Crew kämpft uns einen Korridor durch die Menge. Unglaublich. Ich häng mir eine Gitarre um und merke, dass ich zittere. Die Bühne ist voller Security. Es bleibt keine Zeit für große Umbauten oder Einstellungen, wir müssen anfangen. Und von Anfang an bricht ein Pogo los, wie ich ihn noch nie gesehen habe. 1.200 Leute sollen da gewesen sein. Mindestens jeder zweite hat getanzt. Die erste kleine Pause nach drei Songs. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Daher lass ich es auch und schnappe einfach nur nach Luft, denn es ist unendlich heiß. Bereits jetzt sind wir völlig durchnässt. Nach 25 Minuten wird mir schwarz vor Augen und ich kann mich gerade noch abstützen um nicht lang hinzuschlagen. Luft holen, den Schweiß aus den Augen wischen, Luft holen, irgendwas erzählen, noch mal schnell Luft holen und noch irgendwie die letzten Songs über die Bühne kriegen.
Dann geht wieder alles furchtbar schnell. „Hurry up!!!. Go, go, go!!!“ Die Crew nimmt uns in die Mitte und wir bahnen uns einen Weg heraus aus der Halle direkt zu den Autos. Die Leute greifen nach uns, wollen uns berühren, es wird immer enger, hektischer und unübersichtlicher doch schließlich sitzen wir in den Jeeps, die uns aus dem Trubel herausfahren. Noch immer haben wir nicht so richtig begriffen, was hier um uns herum soeben passiert ist. Wir sind doch nur eine Punkrockband. Ca. 200m von der Location entfernt parken wir auf einer anderen Reisfarm. Hier hat nur unsere Crew sowie die Veranstalter und deren Freunde Zugang. Wir trinken literweise Wasser und bekommen Reis zu essen, während wir versuchen das soeben Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen um es zu verarbeiten. Wir bleiben noch etwa zwei Stunden auf der Farm. Reden mit den Leuten, lassen uns fotografieren und bekommen einen Einblick in die Reisherstellung.
Dann fahren wir direkt mit den Helldrivern zur nächsten Station auf dem Tourplan. Cirebon City (250.000 Einwohner). Die Klimaanlage ist voll aufgedreht. Ich befürchte schlimmes und bitte Eko sie runterzudrehen, was er auch für etwa 10 Minuten macht, sie dann aber wieder aufdreht. Ein endloses hin und her ohne Sieger.
In Cirebon werden wir bei einer unendlich freundlichen Familie unterbracht. Diese verdient ihr Geld mit der Herstellung von hochwertigen Batikgewändern, die in mühevoller Handarbeit auf dem Hof hergestellt werden. Wir sitzen noch zwei, drei Stunden bei frisch geernteten Bananen aus dem Garten und Tee auf der Terrasse bis wir schlafen gehen. Sascha und Vicky in einem großen Bett, der ganze Rest auf Matten im Hausflur.
Sonntag, 09.03.2008
Der Tag beginnt wieder früh morgens um sechs. Es ist halt doch etwas hart auf dem Boden. So erkunde ich mit Hannes, Silvio und ein paar Jungs von der Crew die Gegend. Obwohl es Sonntag ist, scheint um 7 Uhr morgens schon jeder auf den Beinen zu sein. Wir schlendern durch die Gassen und werden überall freundlich begrüßt. Es kommt nicht oft vor, dass sich Weiße in diese Gegend verirren und so weiß bald jeder, dass wir da sind. Wir schauen uns die Location an, die sich auch heute wieder auf einer Reisfarm befindet, wo bereits jetzt die ersten Helfer dabei sind die Bühne aufzubauen. Die Natur ist atemberaubend.
Zurück zum Haus geht es mit dem Fahrradtaxi. Sascha und Vicky schlafen noch immer, so entschließen wir uns mit Kiki zum frühstücken und einkaufen in die City zu fahren.
Hannes ist heilfroh mal etwas anderes als Reis zwischen die Zähne zu bekommen. Seine Sehnsucht nach einer normalen Toilette kann aber auch das riesige und hochmoderne Einkaufszentrum nicht stillen. Da muss er dann wohl durch, der Rest schafft es ja nun auch sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren.
Nach dem Frühstück werden dann Schuhe gekauft. Chucks 4 Euro. Erste Sahne. Aber auch im Einkaufszentrum werden wir wieder erkannt und müssen uns immer wieder fotografieren lassen.
Also zurück. Mittlerweile sind alle auf den Beinen und nach dem Mittagessen und etwas relaxen, schleichen wir durch eine kleine Seitengasse zur Location. Wir bekommen mit, dass für die heutige Show keine Genehmigung ausgestellt wurde und sie damit illegal ist. Trotzdem sind 1.500 Leute da.
Dann dasselbe Spiel wie am Tag zuvor. Im Eiltempo und unter Bewachung geht’s zur Bühne. Instrumente gepackt und los geht’s. Wieder unendliche Begeisterung und Massenpogo. Die Security hat Mühe die Leute von der Bühne fern zu halten. Gott sei Dank hat die Halle keine Seitenwände und es weht ein wenig Wind, so dass es nicht so fürchterlich heiß ist wie Gestern. Dann fällt plötzlich während unseres letzten Songs der Strom aus. Was ist passiert? Aufregung. Leute laufen hin und her. Dann heißt es Flucht. Die Polizei ist angerückt und hat den Strom abgestellt. Keiner kann sagen was nun passiert. Wir werden schnellstmöglich durch versteckte Gassen und Hinterhöfe aus der Gefahrenzone gebracht. Erschöpft und mit mittlerweile 50 kleinen Kindern im Schlepptau, die uns unterwegs gefolgt sind, erreichen wir dann wieder unsere Unterkunft. Die ganze Strasse weiß nun wo wir wohnen und der komplette Hof ist voll mit Leuten die uns einfach nur ansehen.
Nach und nach kommen immer mehr Freunde vom Veranstalter hinzu und es folgt eine ca. zweistündige Foto- und Fragesession. Geduldig versuchen wir jeden Wunsch zu erfüllen aber irgendwann können wir dann auch nicht mehr. Wir stellen uns lediglich noch für ein Interview eines lokalen Punkfanzines zur Verfügung, währenddem ich meine Stimme verliere.
Am späten Abend fahren wir mit dem Zug weiter nach Blitar. Vorerst müssen wir aber von ein paar Leuten Abschied nehmen. Es ist krass, wie sehr einem Menschen schon nach so kurzer Zeit so ans Herz wachsen können. Bis auf Pentul und Kiki fährt die Crew wieder zurück nach Jakarta und auch der Abschied von unserer Gastfamilie geht sehr ans Herz.
Ich war schon in so vielen Ländern dieser Erde und habe so viele freundliche Menschen getroffen, aber nirgends habe ich so etwas erlebt wie in diesem Land. Es ist uns oftmals richtig unangenehm weil wir nicht wissen, wie wir uns für all diese Gastfreundschaft bedanken sollen.
Wir fahren in einem First Class Zug, der 8 Stunden nach Blitar braucht. Mit der Economy Class hätten wir 16 gebraucht und hätten wahrscheinlich auch stehen müssen. Die 4 Euro Aufpreis zahlt man also gerne. Blitar (120.000 Einwohner) liegt bereits in East-Java, was bedeutet, dass die nächsten Shows etwas entspannter ablaufen sollten, da die Leute in diesen Regionen etwas „ruhiger“ sind. Wir lassen uns überraschen.
Die Klimaanlage im Zug läuft jedenfalls auf vollen Touren. Ich hatte ja schon bereits während des Interviews meine Stimme verloren und auch Hannes war angeschlagen, aber diese achtstündige Zugfahrt bei dieser Kälte gibt uns endgültig den Rest. An Schlaf ist zudem nicht zu denken. So müde wir auch sind, der komplette Zug wackelt hin und her und macht einen furchtbaren Lärm.
Montag, 10.03.2008
6 Uhr morgens, Ankunft in Blitar. Ich habe keine Sekunde geschlafen, dafür aber eine anständige Bronchitis. Zum Glück ist erst Morgen die nächste Show, so dass ich 36 Stunden Zeit habe mich zu erholen. Hannes geht es nicht viel besser, aber immerhin braucht er sich keine Gedanken über seine Stimme zu machen.
Untergebracht sind wir im Cactus Music Studio in einer Garage, die direkt an der Hauptverkehrsstrasse liegt. Versuche den fehlenden Schlaf nachzuholen werden damit durch hupende Autos, Busse und LKWs im Keim erstickt. Aber ansonsten ist es absolut idyllisch. Keine 100m weiter beginnt bereits der tiefste Dschungel und im riesigen Garten wächst alles was man sich erträumt. Egal ob Bananen, Kokosnüsse, Sternfrüchte oder Mangos man braucht es nur zu pflücken.
Dusche und WC befinden sich im Hühnerstall, was Hannes’ Laune nicht gerade verbessert. Ich beschließe meinem Husten den Krieg zu erklären und lasse mich mit dem Motorrad zur nächsten Apotheke fahren. Auch wenn’s mir gerade elend geht aber die von Palmen gesäumten Alleen entlang zusausen ist ein Traum.
Ich besorg mir einen Streifen Antibiotika, die man hier problemlos ohne Rezept erhält. Zurück in der Garage werfe ich mir ganz nach dem Motto, „viel hilft viel“ alles Mögliche rein. Ich bereite mir in der Küche sogar nach Omas Rezept den guten, alten Zwiebelsaft zu. Dazu gibt’s Literweise Jae Tea. So verbringen Hannes und ich den Tag liegend in der Garage, während die anderen draußen eine gute Zeit haben.
Sascha scheint sich aufgrund meines Zustandes ernsthafte Sorgen um die morgige Show zu machen und so sucht er eine andere Schlafgelegenheit für mich. Ich darf im Haus nebenan schlafen. Es gehört den Eltern des Veranstalters und ist recht komfortabel. Seine Schwester stellt mir freundlicher Weise ihr Zimmer zur Verfügung, in dem ich abgeschottet von allem Lärm gute 13 Stunden durchschlafe. Ein richtiges Bett, was für eine Erholung.
Dienstag, 11.03.2008
Am nächsten Morgen geht es mir schon viel besser. Keine Ahnung was aus meinem Medikamentencocktail nun dafür verantwortlich ist, aber es ist mir auch egal. Ich bin über den Berg. Sicherheitshalber baller ich mir trotzdem weiterhin alles rein, vor allem Jae Tea.
Das Mittagessen bereitet diesmal Vicky zusammen mit der Hausherrin zu.
Im Anschluss fahr ich mit Hannes und Ronny auf der Ladefläche eines Lasters zur Location. Die Leute sind bereits fleißig beim Aufbauen und wir schauen uns das Equipment an. Wird schon hinhauen denken wir uns, auch wenn wieder massig Effektgeräte dazwischen geschaltet werden. Erfreulicher Weise ist die Bühne diesmal sehr groß und auch recht hoch, da sollte es mal etwas Bewegungsfreiraum geben.
Draußen beginnt es inzwischen unglaublich zu regnen. Wahnsinn, was da für Massen runterkommen. Aber wir haben ja auch noch Regenzeit. Dennoch haben wir ziemlich viel Glück, da sich die Regenfälle in den drei Wochen doch in Grenzen halten. Es gallert vielleicht fünf oder sechs Mal, dann aber auch richtig.
Da Hannes und ich noch unsere Flip Flops (überlebenswichtig!) anhaben müssen wir noch mal zurück zum Haus. Auf die Bühne wollen wir mit den Dingern dann doch nicht.
Pentul, der gerade mit jemandem in Jakarta telefoniert hat berichtet, dass für unsere Abschlussshow dort, bereits alle 5.000 Karten im Vorverkauf weggegangen sind. Man oh man.
Die heutige Show wird dagegen recht übersichtlich. 500 Leute finden den Weg in die Halle. Wir haben auch erstmals die Möglichkeit uns einigermaßen frei auf dem Gelände zu bewegen, ohne dass uns die Kleider vom Leib gerissen werden. So können wir uns endlich auch mal ein paar Bands ansehen. Da auch heute wieder über 20 Kapellen spielen hat jede (außer uns) nur 20 Minuten Zeit. Bei manchen ist das schade, bei anderen wiederum sind wir froh erlöst zu werden.
Unser Auftritt läuft reibungslos ob. Die Stimme hält, es ist nicht übermäßig heiß und die Leute feiern, ohne dass wir wieder Angst um die allgemeine Sicherheit haben müssen. Alles in allem, ein schönes Ding.
Im Anschluss hängen wir noch an einem an das Grundstück angrenzenden Kiosk ab und versuchen unseren Flüssigkeitshaushalt mit Literweise Wasser und Jae Tea wieder ins Reine zu bekommen. Bier, bzw. Alkohol an sich trinke ich schon seit ein paar Tagen nicht mehr. Es ist einfach zu warm. Das hebe ich mir dann für Balis Strandkneipen auf.
Nach ein paar Stunden habe, so glaube ich, ich mit jedem Besucher des Konzerts ein Foto gemacht. Jedenfalls kommt es mir so vor. Solange man von schnuckeligen Punk- und Skingirls um ein Foto gebeten wird hat die Sache ja noch durchaus einen gewissen Reiz, aber nach dem 200sten schweißnassen Typen, der seinen Arm um dich legt, ist es auch irgendwann zu viel des Guten.
Uns steht noch eine Nacht in der Garage bevor, ehe wir morgens um 6 Uhr mit dem Zug weiter nach Jember fahren. Diesmal in der Economy Class. Wir hoffen aber, dass der Zug zu dieser Tageszeit noch nicht überfüllt ist und wir nicht sieben Stunden stehen müssen.
Ich schütte mir noch ein paar Kellen kaltes Wasser über den Kopf und versuche zu schlafen.
Mittwoch, 12.03.2008
Na, so zwei bis drei Stunden habe ich dann wohl wirklich schlafen können, bis wir um 5 Uhr morgens geweckt werden. Unsere Gastfamilie ist auch bereits wach, um sich von uns zu verabschieden. Wieder ein trauriger Abschied, wieder so freundliche Menschen.
Der Bahnhof ist nur 500m entfernt und damit bequem zu Fuß zu erreichen.
Der Zug ist glücklicher Weise noch ziemlich leer. Zu Stoßzeiten kommt es vor, dass die Leute auf dem Dach sitzen oder sich noch irgendwie außen fest klammern. Das bleibt uns zum Glück erspart. Pentul erzählt von einer Fahrt zu seinen Eltern, bei der er 35 Stunden nonstop stehen musste. Der Zug bringt uns immer weiter Richtung Osten. Die Aussicht aus dem Fenster ist grandios. Die Landschaft ist so abwechslungsreich. Wir fahren durch dichten Dschungel mit tiefen Schluchten und Wasserfällen, entlang an scheinbar nicht enden wollenden Reisfeldern und rechts und links von uns erheben sich die riesigen, teils noch aktiven Vulkane der Insel.
Man gerät regelrecht ins träumen bei dieser Aussicht. Wenn da nicht die nervigen Verkäufer wären, die die Gänge hoch und runter sausen. „Aqua, aqua, aqua!!!“, Nasi, nasi, nasi!!!“ Keine 30 Sekunden in denen man nichts angeboten bekommt. Anfangs ist man ja noch freundlich und gibt zu verstehen, dass man nichts möchte. Nach dem 100sten „Aqua, aqua, aqua!!!“ versucht man das Ganze aber nur noch zu ignorieren und schaut lieber aus dem Fenster. Doch dann steigt plötzlich eine 7-köpfige Band, mit Kontrabass (!!!), Bongos, Gitarren etc. ein und beginnt in unserem Abteil zu spielen. Da zücke ich dann doch mal mein Portemonnaie. Das war echt nicht schlecht.
Den zweiten Abschnitt bestreiten wir dann in der Business Class, welche sich als die angenehmste Reiseart herausstellt. Es ist bei weitem nicht so kalt wie in der First Class, aber durch Ventilatoren an der Decke auch um einiges kühler als in der Economy. Auch die Anzahl der Verkäufer hält sich hier in Grenzen, so dass man die Fahrt durch immer schöner werdende Landschaften genießen kann.
Ich merke schon die ganzen letzten Tage, wie ich immer entspannter werde. Eine lange Wartezeit oder auch einfach mal den ganzen Tag nur dazusitzen und nichts zu tun, macht mir plötzlich überhaupt nichts mehr aus. Kennen mich viele doch als einen recht ungeduldigen Zeitgenossen, der sofort Unruhig wird, wenn er mal länger auf etwas warten muss, so habe ich hier all diese Eigenschaften abgelegt. „Wie spät ist es?“ – „Irgendwas zwischen zwei und sieben, ist doch egal!“ Ja, hier habe ich meine innere Ruhe gefunden. Ich bin mehr als zufrieden.
Gegen 13 Uhr erreichen wir Jember (310.000 Einwohner). Die Stadt liegt im Südosten von Java. Iron Lion Angga holt uns mit einem Taxi vom Bahnhof ab und wir fahren in sein Haus. Sehr schöne und komfortable Unterkunft. Einzig und allein der gelbblaue Anstrich passt nicht in mein Fussballweltbild, aber was soll’s.
Sascha und Vicky beziehen wieder ein Einzelzimmer aber auch wir haben alle unsere eigenen Matratzen.
Angga fragt was wir nun machen wollen. Ratlosigkeit. „Was kann man denn hier tun?“, frage ich. „Jaa, wir könnten auf einen Berg fahren oder auch zum Stra“ er braucht gar nicht ausreden, wir fahren zum Strand. Eine schöne Überraschung, da wir keine Ahnung hatten, dass Jember einen Strand hat. Hat es eigentlich auch gar nicht, denn wir sind 1,5 Stunden unterwegs, aber das erfahren wir erst im Wagen. Wir mieten uns also einen Taxi. 150.000 Rupiah kostet es hin und zurück. Das sind 10 Euro, für alle zusammen versteht sich. Pentul kommt nicht mit, er muss etwas Schlaf nachholen.
Wir müssen über einen Berg durch den Dschungel fahren um den Strand zu erreichen. Das Auto schafft es nicht und wir steigen alle aus, um zu Fuß die letzten Meter des Anstiegs zu bewältigen. Kikis Kopf droht zu platzen. Ronny dagegen springt auf das an uns vorbeisausende Taxi auf. Dann noch ein paar Minuten Bergab und wir trauen unseren Augen kaum. Überwältigend. Was für ein Ausblick. Eine versteckte menschenleere Bucht mit weißem Sandstrand und riesigen Felsen im Wasser an denen sich die Wellen brechen. Eigentlich fehlt hier nur noch ein altes Piratenschiff das vor Anker liegt und das Bild ist perfekt. Die drei traditionellen hölzernen Fischerboote stellen mich aber auch bereits zufrieden. Außer uns und drei einheimischen Anglern ist weit und breit niemand zu sehen. Wir rennen ins Wasser und lassen uns von den riesigen Wellen durch die Luft schleudern. Was für eine Zeit. Ich habe meine innere Ruhe gefunden und jetzt bin ich auch noch im Paradies.
Während Sascha und Vicky Muscheln suchen, mach ich mich mit den Jungs auf, die Felsen zu erforschen. Über riesige Brocken mit spitzen Steinen und Muscheln klettern wir immer weiter hinaus. Um uns herum bunte Fische, hunderte von riesigen Krebsen und hoch über uns, am Rand der mächtigen Klippen, hangeln sich die Affen durch die Bäume.
Wir entdecken eine Höhle, die durch einen der Felsen hindurch geht und klettern hinein. 40cm große Fledermäuse schwirren um unsere Köpfe. Am anderen Ende der Höhle stehen wir an einer 30m senkrecht abfallenden Felsklippe. Unter uns bersten die Wellen und das Wasser spritzt in unsere Gesichter. Ja, das ist das Leben!!!
Wir sind begeistert, so etwas kannten wir alle nur aus dem Fernsehen. Auf dem Rückweg zum Auto sehen wir noch wie ein paar bis zu 1,5m lange Komodovarane vor uns in den Dschungel flüchten.
Schnell wird es dunkel. Zurück bei Angga gehen wir noch einmal kurz in die Stadt um ein paar Freunde von ihm kennen zu lernen, doch wir sind schon sehr müde. Vorm schlafen gehen gönne ich mir noch mal einen Jae Tea. Was für ein Tag.
Donnerstag, 13.03.2008
Verhältnismäßig gut ausgeruht stehen wir auf. Um die Zeit bis zur Show zu überbrücken fahr ich nach dem Frühstück mit Angga, Hannes und Ronny in die City. Hannes ist auf der Suche nach einer Sonnenbrille. Doch einkaufen mit Hannes ist schlimmer als mit einer Frau. Nichts kann man ihm recht machen. Bei der einen Brille stört ihn das, bei der nächsten eine andere Kleinigkeit, so dass er am Ende mit leeren Händen da steht.
Ronny und ich amüsieren uns derweil in der Spielzeugabteilung des Einkaufzentrums an den elektronischen Spielautomaten und fahren gegeneinander Auto- und Motorradrennen.
Anschließend gehen wir in einen Rock n Roll Shop, indem wir auch die nächsten Stunden verweilen, da es plötzlich furchtbar zu regnen beginnt. Auf dem Weg zurück entdecke ich ein pinkes Girly Shirt mit der Aufschrift „I love my boyfriend“ und denke, dass das eigentlich ein ganz nettes Geschenk für Pentul wäre und behalte es im Hinterkopf.
Zurück in Anggas Haus werden wieder die Pokerkarten ausgepackt. Mit der Zeit wird es aber langweilig nur um Wasserentkeimungstabletten zu spielen und wir überlegen, wie wir das Ganze spannender gestallten können. Ich erzähle von dem Shirt aus dem Geschäft und schlage vor, dass der Verlierer ja dieses heute Abend bei der Show anziehen könnte. Geteiltes Echo. Während Kiki und Sascha eher skeptisch sind, ist Ronny sofort Feuer und Flamme und quengelt solange, bis alle Mann im Kreis sitzen um mitzuspielen. Wir entscheiden uns der Dramatik halber auf Black Jack umzusteigen. Jeder hat vier Leben. Der Verlierer muss heut Abend das pinke, bauchfreie „I love my boyfriend“-Shirt tragen. Die Regeln sind festgelegt und los geht’s. Was für eine Anspannung.
Doch man muss kein Hellseher sein um zu ahnen, dass natürlich ausgerechnet Ronny sang und klanglos verloren hat, schließlich wollte er ja unbedingt spielen. Das Gejohle war jedenfalls groß.
Die heutige Show findet in der Universität von Jember statt. 35 Bands! Von Punk, Hardcore und Metal bis hin zu Reggae und Ska ist alles dabei. Zum ersten Mal sind auch größere Mengen Skinheads unter den Gästen.
Guter Laden, gutes Equipment, gute Show. Im Anschluss relaxen wir noch eine Stunde in einem Nebengebäude und machen uns dann auf den Heimweg. Schließlich steht noch heute Nacht die Überfahrt nach Bali an. Zum Abendlichen Reisessen machen wir es uns an einem Stand auf der Strasse bequem und warten auf das Auto.
An dieser Stelle müssen wir uns für die nächsten fünf Tage von Kiki verabschieden, da er zurück nach Jakarta muss um noch die letzten Dinge für die riesen Abschlussshow zu klären.
Es ist nicht mehr weit bis Bali und der Taxifahrer heitzt wie ein wilder über die Berge Richtung Fähre.
Freitag, 14.03.2008
Am sehr frühen Morgen kommen wir in Singaraja (143.500 Einwohner), im Norden Balis, an. Da wir erst um 12 Uhr in das für uns gebuchte Hotel einchecken können, verbringen wir die nächsten Stunden im Haus des Veranstalters. Die Hitze ist kaum zu ertragen am heutigen Tag und wir können es kaum erwarten an den Strand zu kommen. Das Bild der Häuser hat sich mit der Ankunft auf Bali komplett gewandelt. Auf der Insel leben zu über 90% Hinduisten, was sich auch in der Architektur bemerkbar macht. Nahezu jedes Haus sieht aus wie ein kleiner Tempel und ist mit Malereien und Skulpturen geschmückt.
Im Hinterhof des Hauses entdecke ich das erste wirklich bedrohlich aussehende Insekt. Eine Spinne von beachtlicher Größe sonnt sich auf einem Baum. Ich entschließe mich Ronny in Unwissenheit zu lassen und ziehe mich selbst lieber auf die Terrasse vor dem Haus zurück.
Dann können wir endlich zum Hotel. Wir schmeißen uns schnell in unsere Badesachen, trinken noch rasch einen kalten Kokosnuss-Shake und werden dann von ein paar Punks mit ihren Motorrädern zum Strand gefahren. Doch was ist das? Entsetzen in unseren Augen. Ein kleiner verkümmerter schwarzer Sandstrand, ohne Palmen aber dafür mit umso mehr Müll. Dazu grünes stinkendes Wasser. Oh ne Jungs, hier können wir nicht bleiben, dass haben wir uns nun ganz anders vorgestellt. Wir verklickern den Kollegen, was wir uns unter Strand vorstellen und fahren 15 Minuten weiter Richtung Westen.
Aber das gelbe vom Ei ist das auch nicht. Zwar ist der schwarze Sand hier etwas sauberer aber das Wasser stinkt immer noch abartig. Ich bin ja was so etwas angeht wirklich nicht pingelig aber in diesem Wasser möchte ich nicht schwimmen.
Palmen suchen wir hier auch vergebens, dafür stürmt gleich eine ganze Armee von Verkäufern auf uns los. Ich suche das Weite und flüchte in eine Strandbar. Wir beschließen gleich nach der morgigen Show nach Kuta-Beach in den Süden der Insel zu fahren, um dort noch drei schöne Tage, an den Postkartenstränden der Insel, zu verbringen.
Die Strandbar ist allerdings ganz nett, wenn man sich die ekligen Sextouristen um uns herum wegdenkt. Ich trinke mein erstes Bier seit langem und es gibt frittierte Schrimps. Sehr lecker. Eine der Veranstalterinnen lädt uns für den Abend in ihr Restaurant ein, was wir gerne annehmen und vereinbart auch einen Massagetermin für Ronny und mich.
Sie hat einen alten amerikanischen Militärjeep auf dem sie uns in den Massagesalon fährt. Wir stehen hinten auf der Ladefläche und heizen durch die Nacht. Am Salon werden wir bereits erwartet. Wir legen uns hin und lassen uns bearbeiten. Mein geschundener Rücken macht Luftsprünge. Die 1,5 Stunden kosten umgerechnet 3,50 Euro, so dass wir die beiden Damen gleich für den nächsten Tag noch einmal für uns und auch für Hannes und Pentul in unser Hotel bestellen.
Das anschließende Abendessen ist ebenfalls sehr nett. Das Restaurant liegt idyllisch auf einem kleinen Hügel und es weht ein angenehmer Wind. Es wird wieder viel gelacht und wir beschließen nun doch erst am Morgen nach der Show in den Süden aufzubrechen.
Samstag, 15.03.2008
Wir werden um 8:30 Uhr aus den Betten geschmissen, denn für 9 Uhr ist ein Live-Interview bei Balis größtem Radiosender vereinbart worden. Im Sender läuft die Klimaanlage am Anschlag, so dass ich mir wieder Sorgen um meine Gesundheit mache, aber diesmal geht alles gut.
Nach dem einstündigen Interview wollen wir uns die heutige Location anschauen und werden wieder mit dem Willys (Militärjeep) abgeholt. Pentul sitzt auf dem Beifahrersitz, Sascha und Vicky auf der Motorhaube und der Rest steht auf der Ladefläche. Plötzlich merke ich, dass etwas nicht stimmt. Müssten wir nicht eigentlich mal etwas langsamer werden? Unsere Fahrerin tritt immer wieder die Bremse doch es passiert nichts. Wir krallen uns fest, rammen einen quer auf der Strasse stehenden Laster und landen schließlich rechts im Strassengraben. Schock! Ein riesen Glück, niemandem ist etwas passiert, dafür laufen wir alle ziemlich verstört die Strasse auf und ab. Noch halb in Trance wuppen wir den Jeep aus dem Strassengraben, während sich unsere Fahrerin mit den Eigentümern des Lasters arrangiert. „Alles ok, wir können weiter!“ – „Wie, weiter? Womit?“ – „Na, mit dem Jeep, Bremsen gehen doch wieder!“ Mit einem mehr als unwohligen Gefühl klettern wir zurück auf den Wagen und kommen an die nächste Kreuzung. Wäre es hier passiert, hätte es uns wohl zerrissen. Wir rufen „Stopp! Bitte lass uns einen Taxi rufen!“ Zwar scheint die Bremse wirklich wieder zu arbeiten aber die Angst, dass es hier auf der Hauptstrasse noch einmal passiert ist einfach zu groß.
Das Konzert findet in einer Halle statt, die wie ein alter Tempel gebaut ist. Hinter der Bühne eine Art riesiger steinerner Altar indem etliche Skulpturen hinein gehauen wurden. Ohne Frage, die schönste Bühne auf der wie je spielen durften. Auch die P.A.- Anlage sieht sehr ordentlich aus, so dass wir uns mal auf einen guten Sound freuen.
Nicht weniger als 35 Bands stehen auf dem Flyer. Wir als letztes um 23 Uhr. Also erstmal wieder zurück ins nahe gelegene Hotel.
Die Masseusen warten schon und Hannes und Pentul machen den Anfang.
Gegen 17 Uhr geht es zurück zum Konzert. Hier ist es ungefährlich für uns und wir können uns frei bewegen. Ein Foto mit uns möchte trotzdem wieder jeder haben aber was tut man nicht alles. Währenddessen spielen ein paar wirklich gute Ska- und Punkbands. Allerdings ist der Sound trotz der ordentlichen Anlage und des vermeintlich professionellen Mischers unter aller Sau. Das geht mal gar nicht. Mit der Zeit werden auch die Bands wieder schlechter und die Leute verlassen zunehmend die Halle. Als wir um 23:30 Uhr beginnen ist kaum noch was los und die, die noch da sind, schlafen entweder oder sind völlig stramm. Aber ein vernünftiges Konzert ist eh kaum möglich. Auf der Bühne hört sich alles nach nur einem einzigen Geräusch an. Das Schlagzeug ist so gut wie gar nicht wahrzunehmen, so dass es schwierig ist sich zu orientieren. Nach 30 Minuten brechen wir ab und ersparen uns und dem noch übrig gebliebenen Publikum die restlichen vier Lieder.
Das war heut nichts. Leicht enttäuscht besorgen wir uns noch ein Bier zum einschlafen und freuen uns auf Kuta-Beach.
Sonntag, 16.03.2008
Eigentlich sollte es ja heut Morgen schon um 8 Uhr losgehen aber der Taxifahrer hat es wohl nicht geschafft uns zu wecken, so brechen wir mit zwei Stunden Verspätung in Richtung der Balinesischen Traumstrände auf.
Es geht endlose Serpentinen hinauf, einmal quer über die Insel an malerischen Seen und hunderten von Affen vorbei. Gegen Mittag haben wir dann unser Ziel, auf das wir uns nun schon so lange gefreut hatten erreicht. Endlose, weiße Sandstrände, Palmen, riesige Wellen und Strandbars. Yieha!
Doch zunächst checken wir im Hotel ein. Wir wohnen in einer sehr gemütlichen Bungalowanlage, die 200m vom Strand entfernt ist. Alles ist sehr sauber und die 2 Euro pro Nacht sind unglaublich aber wahr.
Gleich um die Ecke gibt es Hoteleigene Restaurants, die ebenfalls sehr günstig sind und einen 24 Stunden Supermarkt. Was will man mehr? Na ja, die supercoolen australischen Surfer, die überall rumlaufen, gehen einem doch etwas auf den Sack. Diese benehmen sich als ob die Insel ihnen gehören würde und sind bei den einheimischen alles andere als beliebt.
Teilweise schon sehr krass. Sobald die Leute merken, dass wir aus Deutschland kommen und keine Australier sind werden wir prompt freundlich begrüßt und zuvorkommend behandelt.
Nach einem kleinen Snack gehen wir dann zum Strand. Bei einer älteren Dame kaufen wir nach harten Verhandlungen fünf Strandtücher und werfen uns in die Wellen.
Ronny macht sich derweilen auf den Weg sich ein Surfboard zu leihen. Da er Snowboard fahren kann, ist er fest davon überzeugt auch auf dem Wasser eine gute Figur zu machen. Zunächst sieht es auch alles sehr professionell aus, wie unser Muskelmann, mit dem Board unterm Arm, Richtung Wasser stolziert. Aber Wellenreiten und Snowboard fahren sind dann doch zwei unterschiedliche Sportarten, wie sich auch der gute Ronny eingestehen muss.
Gegen die aufdringlichen Verkäufer wird man recht schnell resistent, indem man sie gar nicht beachtet. Von Lebensmitteln über Perlenketten, bis hin zu Blasrohren wird alles Mögliche angeboten.
Es wird dunkel und wir gehen zurück ins Hotel. Es wird geduscht und wir machen uns fertig um in die Stadt zu gehen. Dort ist es erfreulich leer. Die meisten Touris sind bereits in den Discos verschwunden, in die uns aber niemand hinein bekommt.
Plötzlich stehen wir vor dem Denkmal an der Stelle, wo vor 6 Jahren bei dem Terroranschlag 202 Menschen ums Leben kamen. Wir sind alle ergriffen und stehen für ein paar Minuten stillschweigend vor der großen Tafel, in die die Namen der Opfer gemeißelt sind.
Später landen wir in der Espresso Bar. Zwar wimmelt es auch hier von Australiern aber auch wir wollen feiern. Wir lernen eine neue Biersorte kennen. Bali Hai. Schmeckt bei weitem nicht so gut wie die großen Brüder Bintang und Anker aber nach der zweiten Flasche geht es auch. In der Bar spielt eine Band Lieder auf Wunsch. Die fünf Metaltypen quälen sich gelangweilt durch ein paar Rockschnulzen bis mit Nirvana, Metallica und immer wieder Guns’n’ Roses endlich Leben in die Musiker und auch in den Laden kommt. Auch wir liegen uns in den Armen und singen ordentlich mit.
Den Abschluss bzw. Abschuss des Abends gab es dann in einer nahe gelegenen Cocktailbar, in der die Lichter für mich ausgehen.
Montag, 17.03.2008
Wir stehen spät auf. Die Cocktails brummen noch ganz schön in der Birne. Also hauen wir uns zum ausnüchtern an den Strand. Es ist bewölkt, was angesichts des sich allgemein langsam auftretenden Sonnenbrandes, sehr angenehm ist. Egal ob Sonne oder nicht, 28 Grad hat es eh immer.
Ronny wird von zwei Mädels gefragt, ob sie sich sein Surfboard ausleihen dürfen. „Na klar, ich kann euch ja auch ein bisschen was zeigen!“ Har, har, har!!!
Sascha und Vicky wollen am Abend im Hotel bleiben, so gehen wir diesmal nur zu viert auf die Piste. Wir entdecken „Mama’s“, ein deutsches Restaurant und beschließen Pentul in die Welt des Wiener Schnitzels einzuführen und nehmen Platz.
Im Hintergrund läuft deutsche Volksmusik, an der Wand Bilder aus der Heimat und die Kellner sprechen perfekt deutsch.
Oh man, sitzen wir wirklich in Indonesien in einem deutschen Restaurant? Sind wir etwa zu dem geworden was wir hassen? Aber was soll’s. Nach zwei Wochen Reis soll das nun auch mal erlaubt sein. Vier Wiener Schnitzel und vier große Bier. Pentul ist begeistert und meint, dass sei das Beste was er je gegessen hat. „Pork rules!“
Nicht weit entfernt befindet sich die Punkrockkneipe „Twice“. Wirklich was los ist da aber nicht. Pentul erzählt, dass wir dort auch hätten spielen können, er beim Planen der Tour aber nicht mit den angebotenen Konditionen zufrieden war.
So entschließen wir uns wieder die Espresso Bar aufzusuchen, die heute sehr gut besucht ist. Auch die Band ist wieder da. Genial, als sie plötzlich „Killing in the name of“ von Rage Against The Machine spielen, fangen vorne sogar die Australier an zu pogen und es geht Schlag auf Schlag weiter. Wir wünschen uns noch The Clash, Ramones und Motörhead und der Laden tobt. Ronny, der eigentlich nichts trinken wollte schraubt sich inzwischen diverse Tequilla in die Birne und wir sind alle recht gut dabei. Kurzerhand wird beschlossen morgen in aller Frühe Schnorcheln zu fahren. Drei Stunden schlaf sollten ja wohl genügen. Na dann, Prost.
Dienstag, 18.03.2008
6 Uhr, der Wecker klingelt. Oh oh, das wird hart. Aber für das was wir vorhaben, bin ich gern bereit mich zu quälen. Hannes sieht das komplett anders und ist nicht wach zu bekommen. Dann halt ohne ihn, dafür ließen sich Sascha und Vicky noch überreden mitzukommen.
Mit dem Taxi fahren wir in ein Tauchgebiet. Dort werden wir mit Brille, Schnorchel und Schwimmflossen ausgestattet und mit einem Boot zu den Korallenbänken aufs offene Meer hinausgefahren.
Ein Sprung ins Wasser und um mich herum tausende von bunten Fischen, mit bis zu 1m länge. Eine Stunde haben wir Zeit und sie vergeht wie im Flug. Sascha und Vicky haben irgendwelche Probleme mit ihren Schnorcheln und sitzen schon nach wenigen Minuten wieder im Boot. Ronny, Pentul und ich dagegen tauchen in die Tiefe, bis der Wasserdruck zu stark wird. Ich sehe mich ständig um. Die absolute Krönung wäre jetzt noch ein Riffhai, doch dafür muss man schon sehr viel Glück haben.
Dafür kommt plötzlich nur einem Meter unter mir ein Fußballgroßer Seeigel aus seiner Höhle hervor. Ein zwei Bewegungen mit den Schwimmflossen und ich kann mir das Tier aus sicherer Entfernung genauer anschauen.
Dann sind die 60 Minuten auch schon bald vorbei und mein Körper schlägt Alarm. Alkohol, wenig Schlaf und eine Stunde Sonne auf den Hinterkopf bescheren mir einen nicht allzu schlimmen aber dennoch ordentlich spürbaren Sonnenstich, der mich für den Rest des Tages außer Gefecht setzt.
Den Nachmittag verbringe ich also im Bett, während Ronny vor den Augen der Anderen weiterhin an seiner Surferkarriere arbeitet. Zwei Sekunden soll er sich sogar mal auf dem Brett gehalten haben.
Ich schaffe es gerade mal mich in den Supermarkt zu quälen um Wasser und eine Kleinigkeit zum Essen zu besorgen.
Der Abend verläuft ruhig, denn am nächsten Morgen geht es bereits früh zurück Richtung Jakarta.
Mittwoch, 19.03.2008
Um 5 Uhr steht Pentul vor meinem Bett. Aufstehen, der Flieger wartet nicht. Ronnys Befürchtung mit einer Cessna zu fliegen bewahrheitet sich leider nicht. Schade, wäre sicherlich interessant gewesen. Trotzdem, Pentul hat furchtbare Flugangst und betet ohne Pause bis wir wieder sicher gelandet sind.
Es dauert eine Stunde bis wir endlich unser Gepäck auf dem Band entdecken und Kiki in die Arme nehmen können.
Ich entschließe den Nachmittag zu relaxen um mich komplett von meinem Sonnenstich zu erholen, während die Anderen zum Shoppen in den Mall fahren. Ich mach es mir mit Fanny auf der Terrasse gemütlich und wir reden wortwörtlich über Gott und die Welt. Zwischendurch schnappt sich immer mal wieder jemand die Gitarre und wir singen dazu. Auch dem Kiosk um die Ecke statten wir den einen oder anderen Besuch ab.
Als die Anderen am späten Abend wiederkommen, haben wir noch eine Entscheidung zu fällen. Wir entschließen uns die Show in Bandung zu canceln. Das Risiko mit der Polizei aneinander zugeraten und damit auch noch die Shows in Bogor und Jakarta zu gefährden wird als zu groß erachtet. Schade, da ich mich sehr auf das Konzert zusammen mit Rentenir gefreut hatte, aber es ist die Richtige Entscheidung.
Donnerstag, 20.03.2008
Nach dem Mittagessen sitzen alle auf der Terrasse und niemand hat so Recht einen Plan vom heutigen Tag. So schau ich im Internet nach, was Jakarta an Ausflugszielen alles zu bieten hat. Uns fällt sofort die Bay City ins Auge. Eine Ansammlung von mehreren Freizeitparks. Wir entscheiden uns für Sea World und das angrenzende riesige Spaßbad Atlantis. Zu fünft (Pentul, Kiki, Hannes, Ronny und Dole) machen wir uns auf den Weg.
So sehr mich das neu eröffnete Sea Life in Hannover auch enttäuscht hatte, so begeistert mich Sea World Indonesia. Alles ist viel größer und die Wartezeiten sind minimal. Es gibt Haie, Krokodile, riesige Fische und verdammt coole Seekühe.
Das war schon mal was. Auf dem Weg zum Spaßbad müssen wir aufpassen, nicht aus dem Gebüsch von Schlangen angegriffen zu werden und man fordert uns auf möglichst weit links zu gehen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und wechseln die Seite.
Im Spaßbad haben wir freien Eintritt, da Kiki einen der Manager kennt, der uns für den Abend auch gleich noch ins angrenzende Restaurant zum „All you can eat“ einlädt. Die Rutschen im Bad sind riesig. Sicherheit wird dagegen eher klein geschrieben. Ronny und mich hebt es in den Kurven ein paar Mal über den Rand der Rutsche hinaus. Hannes kommt kurioser Weise überhaupt nicht in Fahrt, so dass ihm regelmäßig die nachfolgenden Badegäste in den Rücken fahren. Irgendwas macht er falsch, doch des Rätsels Lösung offenbart sich uns nicht.
Das anschließende Essen ist wieder vom Feinsten. Es gibt erneut frittierte Schrimps bis zum abwinken und dazu frisch gepresste Fruchtsäfte. Ronny (fr)isst für drei und alle sind zufrieden.
Zurück bei Kiki wird sämtliches Geld in Bier umgesetzt. Es wird gepokert und gelacht. Nur noch vier Tage, ich will gar nicht an den Abschied denken.
Freitag, 21.03.2008
Da wir Bandung aus Sicherheitsgründen gecancelt haben, steht uns auch der heutige Tag wieder zur freien Verfügung. Der Großteil ist aber recht träge und unmotiviert, so dass Hannes, Kiki und ich allein losfahren. Ziel ist ein Safaripark in den Bergen südlich von Jakarta. In der Stadt und auf der Autobahn ist erfreulich wenig Verkehr, dafür staut es sich umso mehr, je näher wir unserem Ziel kommen. Nach einer Stunde stopp and go den Berg hinauf haben wir es geschafft. Wir kaufen noch schnell ein paar Karotten zum verfüttern und fahren in der Park. Elefanten, Kamele, Löwen und Tiger laufen direkt an unserem Wagen vorbei. Ein riesiger hungriger Ochse bemerkt unsere Karotten und steckt plötzlich seinen Kopf durch unser Fenster. Ahhh. Das ist dann doch etwas zu nah und Hannes wird zur allgemeinen Erheiterung ordentlich vollgesabbert.
Nach zwei Stunden machen wir uns wieder auf den Heimweg. Am Ausgang entdecke ich schräg über meinem Fenster wie sich eine Untertassengroße Spinne vom Baum abseilt, was zur Folge hat, dass mein Fenster für den Rest der Fahrt geschlossen bleibt.
Zuhause angekommen, wird ist es schon wieder dunkel. Ronny schläft und hat dies auch schon den ganzen Tag getan. So bekommt er auch nicht mit, wie die Jungs und Mädels aus Semarang eintreffen, die uns noch für den Rest der Tour begleiten werden.
Um mir weitere Namen zu merken ist es zu spät, zu viele Leute kreuzten in den letzten Wochen meinen Weg. Wir trinken noch zwei, drei Bier und plötzlich kommt jemand auf die Idee, noch einmal in den Proberaum zu gehen. Es folgt eine 2stündige Allstar Session in der man sich quer durch die Punk- und Skageschichte covert. Wieder zurück, geht es ab ins Bett, um für die letzten beiden Shows fit und ausgeruht zu sein.
Samstag, 22.03.2008
Direkt nach dem Frühstück brechen wir auf Richtung Bogor (770.000 Einwohner). Die heutige Show findet in Fidos Villa, hoch in den Bergen, statt.
Zur allgemeinen Freude ist es in dieser Höhe einige Grad kühler, so dass man ausnahmsweise nicht ununterbrochen schwitzt. Es gibt Mittagessen und wir machen es uns im Schlafzimmer gemütlich.
Eine Stunde später trifft unser zweites Auto ein. Pentul hat es geschafft sich während der 1,5stündigen Fahrt völlig abzuschießen und muss ins Haus getragen werden. So ein Gemisch aus Black wine, Spiritus und was weiß ich nicht noch allem, hat es halt schon in sich.
Da es sich um ein Konzert auf einem Privatgrundstück handelt ist Alkohol heute erlaubt und die Leute geben auch mächtig Gas. Bier gibt es leider nur wenig und an Pentuls Teufelsgebräu trauen wir uns nicht dran.
Als es dunkel wird, fällt erstmals auf, dass es gar kein Licht auf der Bühne gibt. So machen sich einige Leute auf den Weg, um ein paar Neonröhren zu besorgen. Nachdem diese eingetroffen und angebaut sind, können wir anfangen. Wir sind sehr positiv überrascht. War das Ganze doch als ein kleines Privatkonzert auf Fidos Grundstück angekündigt, so tummeln sich mittlerweile an die 700 Leute im Garten der Villa. Die Bühne ist ziemlich wacklig, so dass ich kaum traue mich zu bewegen, Spaß macht es nach der längeren Pause trotzdem wieder tierisch.
Nach uns eine Mädel Oi!- und Ska Band. Leider Gottes gibt die Gesangsanlage dabei ihren Geist auf, so dass kaum noch etwas zu verstehen ist. Musikalisch klingt das nämlich sehr ordentlich. Die Damen sind auch ansonsten sehr nett. Gaben sich doch sonst alle Frauen, die wir auf der Tour kennen lernten, eher schüchtern und zurückhaltend, so plappern diese ununterbrochen und wollen alles von einem wissen.
Dass es überall Idioten gibt, müssen wir diesen Abend aber auch noch feststellen. Ein Trottel nervt ungemein mit seinem Geschwafel über den Ku Klux Klan und Indonesian Proud und bekommt dabei seinen rechten Arm nicht mehr runter. Ich glaube zwar kaum, dass der Vogel eine wirkliche Ahnung hat, was er da von sich gibt, schließlich sah man auch Punks mit Adolf Hitler T-Shirts, aber dennoch wird er konsequenter Weise vor die Tür gesetzt.
Während sich der Rest gegen 22 Uhr auf den Weg zurück nach Jakarta macht, verzögert sich für Hannes und mich die Abreise um 5 Stunden, weil das zweite Auto nicht kommt. Im Schlafzimmer versuchen wir etwas zu pennen – mit mäßigem Erfolg.
Um 3 Uhr kommt dann endlich das Auto und wir schlürfen nach draußen.
Sonntag, 23.03.2008
Drei Stunden Schlaf müssen genügen. Heute müssen wir noch einmal alles geben. Die Abschlussshow ist schon im Vorverkauf mit 5.000 Leuten ausverkauft. Ein Traum. Die Crew hat für die Vorbereitung der Show unglaubliches geleistet. Wir brennen darauf endlich loszukommen und alles mit eigenen Augen zu sehen. Doch die aktuelle Situation ist angespannt. Die Polizei ist schwer bewaffnet angerückt. Es wäre noch zu gefährlich für uns. So stoppen die Wagen einen Kilometer vor der Location und wir werden in Sicherheit gebracht.
So kurios es auch klingt, aber es ist wahr. Aus Schutz vor der Polizei, werden wir im Haus des Polizeipräsidenten, dessen Sohn ein Punk und Mitorganisator der Show ist, untergebracht. Obwohl Haus stark untertrieben ist. Es ist eher ein Palast. Keiner von uns war jemals in solch einem Gebäude zu Gast. Das Sicherheitspersonal öffnet das elektronische Tor und heißt uns herzlich willkommen. Durch die Garage, mit etlichen schwarzen Limousinen, gelangen wir in die prunkvolle Empfangshalle und werden an den hauseigenen Swimming Pool gebeten. Welch ein Kontrast zu den letzten drei Wochen. Mit Bier und Tee sitzen wir am Pool und warten auf den erlösenden Anruf dann doch endlich los zu können.
Gegen 16 Uhr ist es soweit. Wir steigen in die Autos und nähern uns dem Open Air Gelände. Die Massen von Punks, Skins und Hardcore Kids auf den Straßen werden immer dichter.
Keine Ahnung wie viel Tausend hier noch zusätzlich auf der Straße stehen und keine Karte mehr bekommen haben.
In einer kleinen versteckten Seitengasse halten wir. Jeder bekommt wieder seine Bewacher und wir werden in den gesicherten Bereich hinter der Bühne gebracht.
Auf der Bühne fangen gerade „The Fishska“ an. Liga, Fanny und Co geben richtig Gas, so dass selbst ein Skamuffel, wie ich es bin, seinen Spaß daran hat. Dann kommen auch schon wir. Vor uns Menschen soweit das Auge reicht. Weil es durch die Polizei zu Verzögerungen kam bleiben uns nur noch 25 Minuten. Also, volle Kraft voraus.
Was folgt kann man nicht beschreiben, man muss dabei gewesen sein. Die Security hat große Mühe die Leute einigermaßen unter Kontrolle zu halten, damit der Pogo nicht zu wild wird und die Leute in den ersten Reihen, durch die nach vorne drängenden Massen, nicht erdrückt werden. Einfach nur Wahnsinn.
Aus Sicherheitsgründen machen wir uns nach der Show wieder recht zügig auf den Weg. Während des Zwischenstopps in einer Pizzeria erfahren wir weshalb. 30 Minuten vor unserem Auftritt wurde einem Punk, auf der Strasse vor der Location, mit einer Sichel der Kopf abgeschlagen, woraufhin die Masse mit Schraubenziehern und allem was sie finden konnte auf den Täter einstach. Um das Konzert nicht zu gefährden wurden die Körper in den Graben geworfen und mit Palmenblättern und Zeitungen bedeckt. Ohne Worte! Das ist dann die Kehrseite in diesem doch sonst so fröhlichem und freundlichen Land. Rivalitäten zwischen Gangs sind leider allgegenwärtig.
Es folgt unser letzter Abend und langsam werden wir alle melancholisch. So sehr ist man sich doch gegenseitig in den letzten Wochen ans Herz gewachsen. Doch spätestens in zwei Jahren kommen wir wieder, dass können wir allen versprechen.
Montag, 24.03.2008
Der Tag der Abreise ist gekommen. Die letzte Woche verging aber auch wie im Flug. Viele kommen noch einmal vorbei um sich von uns zu verabschieden. Man sitzt noch einmal gemeinsam auf der Terrasse und wir geben ein ausführliches Interview für Kikis und Ligas Hairless Skinzine. Dann ist es soweit.
Oh man, wie ich so etwas hasse. Auf beiden Seiten kullern vereinzelte Tränen übers Gesicht. Hier haben wir echte Freunde gefunden. Ich kann mich gar nicht genug bei euch allen für diese wunderschöne Zeit bedanken. See you next time, mates!!!
Special thanks to: Pentul MacGowan, Kiki and his whole family, Eko the Helldriver, Liga, Fanny, Awan, Andrash, Fido and family, Angga, Bretel, The Fishska, Social Social, The Idiots, The Gangs, Harmoniska, everyone @ Anti Music and all the other bands and people who helped us out in these unforgetable weeks!!!